Samstag, 25. März 2017

Was genau hat Herr Gnüller?



Einmal da schickte der besorgte Hausarzt Müller einen seiner Patienten, den Herrn Gnüller. Einen rosa Einweisungsschein bekam der mit auf dem alle möglichen grässlichen Dinge standen, die Herr Gnüller so haben könnte: 1.) Eine Lungenembolie (das hätte Herr Gnüller schon mal gehabt und es bestände nun eine akute neue Luftnot.) 2.) Vielleicht auch einen Herzinfarkt (Das hatte Herr Gnüller zwar noch nie gehabt, es beständen aber Schmerzen im Brustkorb.) Zur Untermauerung dieser Behauptungen hatte der Hausarzt gleich mehrere Schnelltests performt 1.) auf ein D Dimer und 2.) auf ein Troponin. Beides war positiv was sowohl auf eine Lungenembolie als auch den Herzinfarkt hindeuten konnte.
Nun kommen wir also zum spannenden Teil. Was genau hat Herr Gnüller?
Da mit Dingen wir Lungenembolien und Herzinfarkten nicht zu spaßen war, bekam Herr Gnüller nun ein der Notaufnahme des nahegelegenen Klinikums sofort ein ausführliches EKG und eine ebenso ausführliche Analyse der Vitalparameter. Auch besorgte man sich einen diensthabenden Kardiologen, der einen gelangweilten Kardiologenblick über das EKG schweifen ließ und sagte, dies wäre superunauffällig, man solle bitte erst mal die Blutwerte abwarten und, ganz wichtig, einen eigenen Test auf Troponin und D-Dimere machen, denn alles was man nicht selber gemacht hat, ist bestimmt ein großer Mist. Und dann, noch wichtiger, sollte sich der Aufnahmearzt mit dem Problem beschäftigen um es dann möglichst komprimiert in ca. 1 Minute ihm, den Kardiologen vorzutragen.  Auf diese Weises könne er jetzt nämlich erst mal eine random kardiologische aber gesprächsarme Untersuchung an einem sonstigen Patienten durchführen.

Tada. Das Labor hatte einen der seltenen Tage, an welchen es den Arzt extraschnell mit 50 rot gefärbten und fertig analysierte Blutwerte blendete und das in nur einer halben Stunde.
Begeistert drückte mir die Schwester den Bogen in die Hand und erläuterte des Kardiologen Plan, während sie mit dem unauffälligen EKG des Patienten herumwedelte.
Auch unsere Laborwerte zeigten ein positives Ergebnis für das Troponin und D-Dimer. Allerdings zeigten sie auch eine Niereninsuffizienz, was beide Werte grundsätzlich erst mal verfälscht und positiv werden lässt. Ganz egal ob jetzt ein Infarkt oder ein Blutgerinnsel vorliegt.
Naja, dachte ich, da werde ich mal haha PERSÖNLICH mit Herr Gnüller sprechen.

„Hallo Herr Gnüller, der Hausarzt macht sich ja ziemlich Sorgen“, sagte ich und starrte auf den Einweisungszettel, „öh warum erzählen sie nicht kurz von ihren Beschwerden.“
„Also“ sagte Herr Gnüller und löste alle unsere Probleme, „mir hört einfach keiner zu! Wissen sie, heute kam unsere neue Waschmaschine. Und es musste doch jemand da sein die in Empfang zu nehmen! Auf jeden Fall war ich dann spät dran für meinen Termin beim Hausarzt. Der wollte heute die Blutdruckwerte kontrollieren. Weil ich so spät dran war, bin ich eben schnell gelaufen und war dann außer Atem als ich angekommen bin. Aber pünktlich! Da hat die Arzthelferin gleich gesagt: Warum atmen sie so schwer Herr Gnüller, der Hausarzt hat gleich ein EKG gemacht und keiner hat mir zugehört! Jetzt haben sie mich zu ihnen geschickt.“ 
„Oh hm. Hier steht sie hätten auch Schmerzen in der Brust?“
„Ah, das stimmt gar nicht. Das sind meine Rückenschmerzen von der Arthrose. Die habe ich schon seit Jahren und gehe da immer zum Orthopäden hier im Krankenhaus in die Sprechstunde. Können sie nachlesen.“
Wir untersuchten Herr Gnüller zur Sicherheit nochmals gründlich. Die Niereninsuffizienz war ebenso wie die Wirbelsäulenproblematik schon lange bekannt. Nachdem auch die Blutwerte nicht schlechter wurden und Herr Gnüller überhaupt keine Luftnot hatte, schickten wir den supererfreuten Patienten wieder heim. Die Waschmaschine warte auf die weitere Installation.



Sonntag, 19. März 2017

Anamneseprobleme



Da brachte der Rettungsdienst einen neuen Patienten in die Notaufnahme, denn wozu sonst hat man so eine Notaufnahme.
Übelkeit und Erbrechen.
Weil jetzt unser Monitor gleich eine krumpelige Sauerstoffsättigungskurve anzeigte, ging ich schnell hin um festzustellen ob das nur eine falsche Ableitung des Sensors war oder ein tatsächliches Problem.
„Hallo, Herr Müllor-Stor, ich bin ihr Arzt. Haben sie denn gerade Atemnot?“
„Oh nö.“
„Hm und zuhause?“
„Da auch nicht.“
Weil Herrr Müllor-Stor aber irgendwie blau aussah (ein klassisches Zeichen vieler Leute mit Luftnot), fragte ich zur Sicherheit alles nochmal unter Verwendung mehrerer super Synonyme die ich mir als kluger Arzt so ausgedacht hatte.
„Im Augenblick bekommen sie also gut Luft?“
„Ja genau kein Problem.“
„Und auch daheim gab es keine Probleme mit dem Atmen?“
„Nein. Alles Super. Ich habe nur diese Übelkeit.“
Naja dachte ich, wird er schon besser wissen als ich, was für Beschwerden er hat und entschloss mich nun zu einer offenen Anamnesefrage um die tatsächlichen Beschwerden kennenzulernen.
„Ok gut, gut Herr Müller-Stor, da erzählen sie mir doch noch mal genau was passiert ist, dass sie den Rettungsdienst gerufen haben.“
„Also“, sagte Herr Müller-Stor, „erst habe ich geschlafen. Und dann bin ich aufgewacht, weil ich keine Luft mehr bekommen habe.“
Hmhm. 


Sonntag, 12. März 2017

Fluktuierende Degeneration



Es war die dritte Nachtschicht in Folge und der Zustand meines Gehirns befand sich in einem Zustand fluktuierender Degeneration. Oder so etwas Ähnlichem.
Plausible Gründe hierfür erschienen mir
a)    Die nahegelegenen Holzfällerarbeiten. (Schlecht für den Tagesschlaf.)
b)    Der große Haufen nachtkranker oder auch nicht nachtkranker Patienten, die eine sofortige Nachtbehandlung benötigen (oder auch nicht benötigten, aber jetzt wären sie schon mal da.)
Gegen 3 Uhr in der dritten Nacht, hatte ich dann aber alle superversorgt und legte mich glorreich in das einladende Dienstarztbett, welches meinen schlafenden Körper für eine halbe Stunde oder so aufbewahrte. Es klingelte das Dienstarzttelefon, ich schreckte hoch, drückte auf ABHEBEN und dachte erst mal Dinge wie:
„Oh Mist oh Mist, was sage ich denn jetzt? Was ist ein normaler Begrüßungssatz an so einem Telefon? Wie heiße ich? Gaaaah! Ich muss jetzt etwas sagen. Sofort! ARGH!!! ABER WAS?“
Nach 2 Sekunden und der Rückkehr grundlegender Gehirnfunktionen im Kommunikationsbereich, presste ich schließlich „Zorgcooperations, Hallo?“ heraus und versuchte das Problem der Frau Nüsemeni zu lösen, welches sich als unglaublich komplex herausstellte und ich telefonierte hierfür viel zu oft mit deren Schwester Frau Nüsemeni 2, die Krankenhäusern im Prinzip misstraute.
Weil das nun alles so kompliziert gewesen war, beschloss ich dies am Morgen dem Tagesstationsarzt der Frau Nüsemeni extra zu übergeben, damit dieser nicht auch eine Stunde (oder auch zwei) mit Frau Nüssemeni 2 telefonieren musste.
Der Tagesstationsarzt war sehr geduldig und hörte sich meinen Vortrag an in welchem ich 5 min lang von Frau Nüsemeni Tochter sprach, bis mir einfiel, dass die ja die Schwester war. Dies sage ich so und setzte den Vortrag dann unbeeindruckt das Wort Tochter verwendend fort, bis mir wieder einfiel das dies ja die SCHWESTER war. Diesen Vorgang wiederholte ich 3 Mal bis der Tagesstationsarzt vorschlug ich solle doch einfach nach Hause gehen.
Auf der Treppe traf ich schließlich auf den Tageschirurgen, der mitleidig lächelte und sagte: „Frau Zorgcooperations, du solltest mal diese Frauencreme für unter die Augen ausprobieren.“
Haha.
Ich schlief dann 20 Stunden mit kurzen Unterbrechungen und die Moral dieser Geschichte ist, öh, traue keinem Nachtschichtarzt in fortgeschrittener Nachtschicht.