Freitag, 6. Januar 2017

Reanimation



Nachdem in anderen Medizinblogs immer wieder der eine oder andere coole und außerdem dramatische Reanimationsbericht erzählt wird, bei welchen ich dann beeindruckt und zustimmend nicke, wollte ich auch mal so einen Bericht verfassen.

Also: Es war Nacht und eine ruhige Nacht außerdem. Gerade erzählte ich Herr Bo-Mimikri dass sein Ohr auch durch dieses Otoskop total normal aussähe.
Da rief der Notarzt rief an. Er habe gerade einen Patienten mit schwerem Herzinfarkt gesammelt. Plonk, landete das Notarzt-EKG in unserem In-Faxfach.
„Jaja, ein schwerer Herzinfarkt“, stimmte ich zu und orderte von der Pforte einen Kardiologen mitsamt Herzkatheter-Team.
Alles lief super. Kardiologe und Herzkatheterschwester fielen unverzüglich aus ihren Betten. Knapp eine Viertelstunde später blinkte der Rettungsdienst auch schon die Klinikeinfahrt herein.
Wir winkten die Besatzung sofort zum Herzkatheter durch.
Notarztübergabe, Umlagern des Patienten: Herr Blaum 50 Jahre, der Kardiologe klärte den Patienten kurz auf, die Katheterschwester deckte alles steril ab.

Röntgengeschützt im Vorraum des Katheterraums füllte ich schon mal die Aufnahmepapiere aus und meldete Herrn Blaum gleich auf der Intensivstation an.
Auf den zahlreich rumstehenden Computermonitoren sah ich wie der erfahrene Kardiologe in Kürze das am schlimmsten verschlossene Blutgefäß lokalisiert und wiedereröffnet hatte. Es saß der Stent zum Offenhalten des Gefäßes, da überlegte ich ob diese Blutdruckmessung gerade falsch maß oder ob der Patient wirklich so einen niedrigen Blutdruck hatte.
„Frau Zorgcooperations, können sie mal eine Röntgenschürze anziehen und reinkommen?“ Noch während ich mir die schweren Röntgenschürze irgendeines abwesendes Kardiologen auslieh, löste der Kardiologe den Renanimationsnotruf aus.
Ich stolpere röntgengeschützt in den Raum um live zu sehen wie sich Herr Blaums Pulsschlag auf 5 pro Minute verlangsamt um dann in eine Nulllinie überzugehen.
Ein Schemel an den hohen Kathetertisch und wir beginnen zu reanimieren. Schwester Monika drückt, ich besorge einen Ambu-Beutel zum beatmen.
Jetzt geht auch auf allen meinen Telefonen der Notruf herunter, der über die Zentrale ausgelöst worden war. Im wilden Piepsen erreicht uns nun der Rest des Notfallteams: Der Anästhesist und sein Komplize, der Anästhesiepfleger.
Übergabe. Ich bringe alle Telefone zum Schweigen und übernehme das Drücken. Der Reanimationsschemel ist zu hoch aber ohne ist der Tisch zu hoch. Die Röntgenschürze ist (sau)schwer, schützt aber meine Eierstöcke zum Wohl potentieller Kinder. Der Röntgenbogen an sich ist sowieso allen im Weg, kann aber nicht auf die Seite, weil der Kardiologe Bilder braucht um den Stent zu überprüfen.

Der Anästhesie wickelt sich am Röntgenbogen vorbei. Ein besserer Beatmungszugang soll her. Sein Komplize reicht an. Der Patient erbricht jetzt Blut. Die anästhesiologische Fraktion fluchte unkontrolliert, der Kardiologe auch und wenn ich nicht so nach Atem ringen würde., dann ich auch. Egal, der Tubus sitzt nun endlich.

Der Anästhesist beschließt er braucht noch einen venösen Zugang, aber am kreislaufinsuffizienten Patienten bekommt man sowas nicht so einfach. Der Kardiologe hört uns gar nicht zu und röntgt in unseren Beatmungspausen ob noch was am Stent zu optimieren sei.
Der Anästhesie knallt jetzt eine große Kanüle in eine Halsvene.
„MANN, wir haben doch schon einen zentralen Zugang über die Schleuße an der Leiste“, schreit Schwester Monika, die das irgendwie unauffällig organisiert hat. Naja, jetzt hat der Patient halt drei Zugänge.
Der Anästhesist ist jetzt frustriert. Der Kardiologe auch. „Hören sie mal kurz auf zu drücken!“ schreit er nun, weil er sonst kein unverwackeltes Bild bekommt. Der ganze Reanimationsalgorithmus ist irgendwie am Arsch.
Der Anästhesie-Komplize löst mich beim Drücken ab.
Inzwischen hat sich unser Defibrillator diskonnektiert. Auch wenn wir gerade nicht defibrillieren wollen, vielleicht wollten wir das ja in Kürze. Folglich krieche ich wild zwischen Personen, Untersuchungstisch und Röntgenbogen umher und zerre an den beteiligten Kabel. Irgendwie geht die Übertragung des EKGs dann wieder.
Der Kardiologe tritt nun frustriert vom Tisch weg. Der Stent sitzt, mehr kann er nicht tun. Aber die Herzkranzgefäße sind in einem insgesamt schlechten Zustand. Den Rest muss Herr Blaums Herz nun selber schaffen.
Wir tun was wir können. Röntgenbogen beiseite, mehr Adrenalin. Drücken. Eine Dreiviertelstunde vergeht.
Wir gehen alle Gründe durch, die noch zum Kreislaufstillstand betragen könnten. Aber da gibt es nichts. 
Wir hören nach einer Stunde auf. Herr Blaum ist tot.

Der Kardiologe wird persönlich zu den Angehörigen gehen die draußen warten und die schlechte Nachricht überbringen.
Ich werfe alle meine Aufnahmepapiere und Pläne weg. Die Nachschwester hilft mir ein Bett für Herrn Blaum zu besorgen und ein ruhiges Plätzchen im Verabschiedungsraum. 


3 Kommentare:

  1. hab ich als Katheterpfleger schon oft erlebt,
    keiner in dem Raum hats leicht.
    Bei uns hieß es bei so nem Fall, elektromechanisch entkoppelt...

    Hut ab, dass du auch sowas mal erzählst

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  2. Sehr lesenswerter Bericht. Allerdings könnte er auch dazu führen, das noch weniger Leute sich für den Beruf des Mediziners entscheiden. Und die Situation auf dem Lande ist ja schon bedenklich. Ein leitender Arzt Job zieht noch, der Landarzt nicht mehr

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