Sonntag, 31. Januar 2016

Die entscheidende Pfeilrichtung



Der Tag war schon so viel zu lange gewesen und nachdem ich immer noch nicht heimgehen  konnte, sondern stattdessen in den 3. Stock musste, schleppt ich mich lieber gleich zum Aufzug anstatt meine Fitness mit einer großen Anzahl an Treppen zu malträtieren.
Ich drückte dann auch auf die Anforderungs-Pfeiltaste nach oben, denn da wollte ich ja hin und nicht in den Keller oder so.
Es stellte sich nun aber eine junge Mutter mit ihrem Kind dazu und starrte ärgerlich auf die leuchtende Pfeil-nach-oben-Taste und auf die Anzeige über dem Aufzug, die vor sich hinanzeigte, dass der Aufzug gerade noch im vierten Stock verweilte. „Na super!“ rief sie ärgerlich, „wer hat denn gerade auf die nach-oben-Taste gedrückt?! Der soll doch runter zu uns kommen der Aufzug! Den darf man doch nicht nach oben schicken!“ Dann drückte sie noch auf die Anforderungstaste mit dem Pfeil nach unten, damit der Aufzug auch runter zu käme und uns im Anschluss nach oben transportieren würde und ich fühlte mich sehr verwirrt.


Sonntag, 24. Januar 2016

Kanüleninfusion und kein Blutgefäß

Es war mittlerer Nachmittag und mein verzweifelter Kollege kam von der Nachbarstation vorbei: „Du, Frau Zorgcooperations, ich hab‘ so einen Patienten. Der wiegt 150 kg und hat Arme so dick wie eine Python, die gerade ein mittelgroßes Krokodil gefressen hat. Der braucht unbedingt Antibiose, aber ich schaffe es nicht eine Kanüle zu legen. Kannst du vielleicht mal…?“
Das hört sich nicht sehr vielversprechend an, aber ich beschloss die Arbeit an diesem spannenden Entlassbrief zu unterbrechen. Das Kanülentablett stockte ich vorsichtshalber noch mit einer größeren Reserve an Kanülen aller Farben auf und sagte „Hallo“ zu Herrn Klimpkelstein. Herr Klimpkelsteins riesige Arme waren schon mit Pflastern bedeckt, die Stellen anzeigten, an denen man wohl keine Kanüle legen konnte.
Zum Glück war Herr Klimpkelstein geduldig. Ich zog, drehte und klopfte prüfend an beiden Armen herum, fand schließlich ein winziges Venenetwas am Handrücken und: Boomya, haha, die passende Kanüle war drin. Etwas schief und halb über den Fingerknöcheln hängend, aber egal. DRIN! Ich bastelte einen Superklebeverband, hängte das intravenöse Antibiotikum gleich an und  ging.
Kurze Zeit später, ich glaube, ich lief durch einen Flur oder so, eilte der Nachbarpatient von Herrn Klimpkelstein heran. „Sie! Sie haben doch gerade die Kanüle bei meinem Zimmernachbarn gelegt?“ „Hm ja?“ „Die ist kaputt, die Infusion läuft nicht!“
Missmutig über das Zunichtemachen meines großartigen Erfolges von vorhin, besuchte ich Herrn Klimpkelstein erneut.
„Hier“, sagte der, „schauen sie! Die Infusion läuft gar nicht mehr.“
„Oh ja“, sagte ich schauend und lachte erfreut, „machen sie sich keine Sorgen, die kann gar nicht mehr laufen, die ist schon leer, ihre Infusionflasche.“


Samstag, 16. Januar 2016

„ALLE“ Probleme des Patienten



„Also“, sagte die Krankenschwester, „und gleich wird noch der Herr Braun-Stöckel von der Chirurgie zu uns verlegt.“
Dies war mir neu, überhaupt hatte ich bis dahin nichts von Herrn Braun-Stöckels Existenz geahnt. Daher fragte ich meine Schwester: „Oh und warum kommt er zu uns?“
„Das hat der chirurgische Oberarzt Gebhart so gewollt.“
„Ah hmhm und was ist der Grund warum der Patient von nun in unsere internistische Obhut soll?“
„Das hat Dr. Gebhart so gesagt!“ Jop, dieser Satz kommt mir bekannt vor.
„Und WESHALB möchte Dr. Gebhart das?“
„Ja, weil der Patient wäre internistisch besser aufgehoben!“ Ha. Nimm‘ das, Arzt. Supergrund!
Verzweifelt nach einem weiteren Synonym für „warum“ suchend, versuchte ich es mit: „Ok und aufgrund welchen Anlass denkt Oberarzt Gebhard, dass der Patient internistisch besser betreut wäre?“
Die Schwester rang nach Worten: „Na hm da, ha, ja genau, kann er besser überwacht werden!“
Hmhm.
Meine Unzufriedenheit spürend winkte die Schwester nun ihre Kollegin herbei, die mir feierlich die chirurgische Kurve mit der Diagnosenliste von Herrn Braun-Stöckel reichte. Hier ständen ALLE Probleme des Patienten drin, die meine lästigen Arztfragen beantworten würden! Es gab nur zwei Einträge: 1. Fraktur eines wichtigen Knochens und 2. Nachfolgende Operation unter Einsatz größerer Metallteile.
Ich beschloss dann Dr. Gebhart suchen zu gehen.



Samstag, 9. Januar 2016

Ein sicheres Geleit



Herr Rahimi lebte in einem Land, in dem es echt nicht mehr schön war. Er hatte daher seine Familie genommen und beschlossen nach Deutschland einzuwandern. Endlich dort angelangt, landete Herr Rahimi in einem Erstaufnahmelager. „Woah moment“, sagte das medizinische Personal der Einrichtung, „Sie husten und haben früher schon mal Tuberkulose gehabt, die nie behandelt wurde?! Da müssen sie gleich in eine Klinik. Äh, da gehen sie mal ins Klinikum in Beteigeuze City. Und ihre Frau, die hustet ja auch. Die nehmen sie gleich mit.“
Bäm. Da saßen Herr und Frau Rahimi in unserer Aufnahme. Zum Glück hatte die Erstaufnahmeeinrichtung schon richtig gedacht, dass keiner von uns interessanten, aber nicht sehr verbreiteten Lokaldialekt der Rahimis sprach, einen Dolmetscher aufgetrieben und mitgeschickt.
Wir sandten die Rahimis durchs Röntgen, nahmen ihr Blut und Sputum an uns und beschlossen: „Jop, Herr Rahimi sie sehen sehr tuberkulose-befallen aus, ihre Frau zum Glück nicht so.“ Das Gesundheitsamt erklärte dann, Herr Rahimi müsse nun auch sofort ins Tuberkulosezentrum keine Ahnung wo, auf jeden Fall nicht in Beteigeuze, Frau Rahimi dürfe aber wieder heim.
Ich organisierte einen Krankentransport für Herrn Rahmini und die Erstaufnahmemenschen  waren sehr nett und sagten, man könne ein Taxi nach Hause für seine Frau und den Dolmetscher organisieren.
„Äh nein“, sagte Herr Rahimi. „Das ginge nicht.“
„Aber warum denn?“
„Na da wäre die Frau ja alleine im Taxi mit dem Dolmetscher!“
Der Dolmetscher, ein freundlicher, älterer Mann, übersetzte auch dies sehr professionell und wir erklärten schließlich seufzend, wir würden fragen, ob wir auch zwei getrennte Autos bekommen könnten, eins für die Ehefrau und eins für den Dolmetscher.
„Woah, nein!“ sagte Herr Rahimi, da wäre die Ehefrau ja GANZ ALLEINE im Taxi. Das gehe auch nicht.
Ah super dachte ich. Mit ins Tuberkulosezentrum kann er sie auch nicht nehmen. Mit Tuberkulose kann ich Herrn Rahimi jetzt aber auch nicht erbost rauswerfen, auf dass er seine Ehefrau persönlich heim begleitet.
Der Dolmetscher blieb zum Glück ruhig, obwohl ihm Herr Rahimi nun ein gesteigertes sexuelles Interesse an der Ehefrau bescheinigte und fand nun heraus: Herr Rahimi hätte noch einen Bruder, der mit ihm nach Deutschland gekommen sei und ebenfalls im Erstaufnahmelager verweilte. Vielleicht könne der kommen und die Ehefrau abholen? Dummerweise besaßen nun beide Rahimis kein Handy und naja, wie schwer kann es schon sein, den Bruder im Lager zu finden, dachten wir und riefen dort nochmal an. Haha, schwer, sehr schwer ist so ein Findungsvorgang  und zum Glück hatte der Krankentransport für Herr Rahimi große Verspätung, denn bevor wir kein sicheres Geleit für die Ehefrau zusichern konnten, wäre das nichts geworden.
Nach einer Stunde fand das Erstaufnahmelager zu unserer aller Freude den Bruder. „Und? Kommt er der Bruder?“ „Joah, wir haben ihm den Weg beschrieben, eine Karte von Beteigeuze gegeben und ein Kärtchen auf dem steht, dass er Frau Rahimi abholen möchte. Der ist jetzt mit dem Fahrrad losgefahren.“ Ah.
Wir waren dann in großer Furcht, dass Herr Rahimis Bruder, der auch nur interessanten, aber nicht sehr verbreiteten Lokaldialekt sprach (deswegen das Abhol-Kärtchen), nicht herfinden würde, aber zum Glück kam er und nahm Frau Rahimi und den Dolmetscher mit. Frau Rahimi hat zu all dem überhaupt nichts gesagt.



Sonntag, 3. Januar 2016

Der Chefarzt persönlich



Frau von und zu Gerdin, eine süße, alte Dame mit grauen Löckchen, war mit Magenschmerzen in unserer Notaufnahme aufgeschlagen und von dort auf meine Station verschoben worden. Der Chefarzt war auch schon da gewesen, DENN Frau von und zu Gerdin war hochprivat. Nur war unsere exklusive Privatstation schon voller mindestens so privater Privatpatienten und deshalb war Frau von und zu Gerdin nun sozusagen meine Privatpatientin. „Da machen wir morgen eine Magenspiegelung!“ hatte der Chefarzt während seines 10-Sekunden-Aufenthalts auf der Station befohlen und ich nahm also eine Aufklärung und erklärte Frau von und zu Gerdin alles Mögliche über so eine Magenspiegelung, was auch gut ging, bis ich zu dem Teil kam, in dem der Arzt die möglichen Komplikationen der Untersuchung auflistet.
Frau von und zu Gerdin schaute mich grimmig an und rief: „Also wenn das passiert… dann“, etwas ratlos schaute sie im Raum umher, „dann reiße ich ihnen ihr schönen Haarspangen raus!“ (Erfreut über das Kompliment für meinen Haarklemmer, dachte ich ebenso erfreut daran, dass meine Patientin bei der Magenspiegelung schlafen würde.) Ich versicherte, dass Komplikationen selten wären und Frau von und zu Gerdin war hier aber trotz der zuvor versuchten Einschüchterungsversuchs immer noch nicht zufrieden. „Wenn hier etwas schief geht, dann … hm … dann sind sie zu mindestens 200 weiteren Untersuchungen für mich verpflichtet. Gratis! Da verliert das Krankenhaus Geld!“ „Hmhm“, sagte ich und dachte daran, dass zum Glück nicht ich diese Untersuchung durchführen würde. Frau von und zu Gerdin unterschrieb schließlich zufrieden mit den geäußerten Drohungen den Bogen und fragte dann: „Wann macht der Chefarzt morgen dann die Untersuchung?“
„Ähm MOMENT“ rief ich. „Der Chefarzt macht nicht alle Untersuchungen hier im Krankenhaus persönlich. Auch nicht bei Privatpatienten. Der Chefarzt ist außerdem überhaupt kein Gastroenterologe. Vermutlich hat er noch nie in seinem Leben eine Magenspiegelung gemacht. Da wird einer unserer kompetenten Oberärzte vom Fach ihre Untersuchung durchführen.“ „Hm“, sagte meine Patientin sehr missmutig über diesen schlechten Service.
Im Anschluss pries ich noch ausführlich die Kompetenz unserer gastroenterologischen Oberärzte an, Frau von und zu Gerdin überstand die Magenspiegelung unbeschadet, hätte aber trotzdem lieber den Chefarzt persönlich dabei gehabt.