Samstag, 24. September 2016

Handschriftlich - Professionelle Hieroglypie



Vor langer Zeit in der Grundschule, da fand der Grundschullehrer, die Schülerin Zorgcooperations solle sich mal mehr Mühe geben. Ein sehr hässliches Schriftbild wäre das. Als mittelbraver Schüler gab ich mir natürlich Mühe. Hey, ich besaß sogar einen fancy Schönschreibfüller, der eine extrabreite Feder für besonders elegante Schwünge hatte. Dieser machte mein Schriftbild noch viel hässlicher.
Arzt werden war dem Schönschreiben auch nicht förderlicher. Erst versuchte ich als tugendhaft motivierter Student den rasend schnellen Ausführungen der Professoren mit detaillierten Notizen zu folgen, welche ich später nie wieder betrachten würde. Dann war ich tatsächlich so ein Arzt und sollte in hoher Geschwindigkeit alles Mögliche von Hand dokumentieren. Das zügige Schreibtempo verkrumpelte die Wörter dann weiter zu wellenförmigen Hieroglyphen, bezüglich derer die Schwestern fragen würden: „WAS hast du da wieder geschrieben?! Gibst du dir mal mehr Mühe bitte.“
Ich würde dann beleidigt tun, alles persönlich vorlesen und behaupten, das wäre doch klar: das hieße „Bitte noch 2 Blutkonserven kreuzen“ und ganz sicher nicht „Bitte noch 2 Blutkonserven und Sex.“ (Ernsthaft. Das macht doch gar keinen Sinn! WARUM sollte ich „und Sex“ schreiben?!)
Auf jeden Fall rief die Pforte an und erklärte ein Hausarzt wolle mich sprechen, zing, hier würde sie den Mal zu mir umleiten. Noch während ich „Uhoh“ und „Was habe ich jetzt getan?!“ dachte, sprach auch schon der Hausarzt zu mir.
„Ja, schön, dass ich sie erreiche. Ich rufe an wegen des Patienten Herr Mim-Dümpre.“ Während mir der Name Mim-Dümpre noch irgendwie bekannt vorkam, konnte ich mich irgendwie nicht mehr so richtig an meine Behandlung dessen erinnern.  „Erst mal möchte ich hier lobend erwähnen“, fuhr der Hausarzt wohlwollend fort“, dass sie dem Patienten ja diesen sehr schönen handschriftlichen, vorläufigen Brief mitgegeben haben. Sehr ordentlich haben sie das geschrieben. Das finde ich sehr gut. Sehr gut lesbar.“ Hm komisch dachte ich misstrauisch. Da ich mich außerdem wirklich nur noch dumpf an Herrn Mim-Dümpre erinnerte, sicherte ich dem Hausarzt zu, ich würde seiner Frage zur Medikation nachgehen und später zurückrufen.
Dann freute ich mich, dass endlich jemand meine Schrift lobte, aber immerhin bemühte ich mich bei meinen seltenen handschriftlichen Briefen auch sehr um eine gute Lesbarkeit.
Nun denn, ich suchte Herrn Mim-Dümpre im Alles-Wissenden Patientenverwaltungsprogramm. Ja tatsächlich, ich hatte den Patienten betreut. So ungefähr zwei Tage. Dann war ich in den Urlaub gegangen. Meine Kollegin Frau Dr. Bo hatte übernommen und nach einer Woche die Entlassung verlasst. Frau Dr. Bo mit der Schrift eines professionellen Kalligraphen. Frau Dr. Bo, deren Visitendokumentation ein Kunstwerk symmetrischer Wortgebilde waren, Frau Dr. Bo, der vor Freunde weinende Grundschüler zu Füßen lagen.
Hmhm.


Samstag, 17. September 2016

Rot und Blau



Herr Schmids-Blau war drei Stunden lang mit seinem Auto im Stau gestanden. Nun fühlte sich sein Bein irgendwie seltsam an.
„Hmhm, bestimmt eine Thrombose!“, dachte sich der Hausarzt und „zing“ lag Herrrr Schmids-Blau an einem schönen Freitagabend auf so einer unbequemen Ultraschallliege in irgendsoeinem Krankenhaus.
„Hallo“ sagte der Dienstarzt, welchen Herr Schmids-Blau fast mit einer Schwester verwechselt hätte.
„Ich bin der Dienstarzt“, sagte der Dienstarzt, „Zorgcooperations ist mein Name.“
Herr Schmids-Blau wusste auch nicht so recht, ob er diesem Dienstarzt vertrauen sollte, traute sich aber nicht wegzulaufen.
Jop.
Ich klickte mich nun denn durch diverse, fancy Ultraschallprogramme (wollen sie ein rechtes oder doch lieber linkes Bein ultraschallen?) und tränkte Herrn Schmids-Blaus Bein in Ultraschallgel für ein besseres Bild.
Einen teuren Highend Ultraschallkopf in der Hand, begann ich nun nach der vermuteten Thrombose zu suchen. Blaue und rote Farben flammten in schwarzen Punkten am Bildschirm auf, alles wurde glibberig und klebrig. Ich drückte sehr lange und gründlich an Herrn Schmids-Blau Bein herum. Trotz exzellenter Sicht, das Bein sei durch gründliches Rennraddahren gestählt, erzählte Herr Schmids-Blau, war aber keine Thrombose zu sehen.
Erfreut erklärte ich also: „Hier ist wirklich keine Thrombose zu sehen. Alles ist in Ordnung.“
„Äh Moment“, sagte Herr Schmids-Blau an dieser Stelle, „sie lügen doch!“
„Öh, warum? Was meinen sie?“
„Ich habe sie genau beobachtet und alles am Bildschirm gesehen!“
„Ah hm und was genau meinen sie, stimmt nicht?“ An dieser Stelle war ich nun ordentlich verwirrt.
„Da ist doch dauernd die rote Warnfarbe im Bild angegangen!“
„Ah, oh. Nein, nein, die Farben zeigen den Blutfluss an und sind richtungskodiert. Die eine Flussrichtung ist halt rot und die andere blau. Es ist wirklich keine Thrombose bei ihnen zu sehen.“
„Grm ok.“ Herr Schmids-Blau freundete sich dann aber doch schnell damit an thromboselos zu sein und verließ uns sehr erfreut.


Sonntag, 11. September 2016

Gizimbö-Hyde



Tagsüber war Herr Gizimbö ein netter, älterer Herr, der gerne ein Stück Kuchen zu seinem Kaffee verzehrte und bei der Visite jeweils steif und fest behauptete es ginge ihm exzellent.
Bei Einbruch der Dunkelheit übermannte Herrn Gizimbö dann plötzlich die Mr Hyde Seite seiner Persönlichkeit oder aber die Mondeinstrahlung erwies sich als schädlich.
Auf jeden Fall tobte Herr Gizimbö wild durch das Zimmer und terrorisierte die Schwestern.
Der Dienstarzt muss her, beschloss die Nachtschwester. Nachdem laut der verzweifelten Schwesterndokumentation in den Nächten zuvor weder Dipiperon, Melneurin, freundliche Gespräche oder Tavor Herrn Gizimbö-Hyde hatten bremsen können, ordnete ich 25 mg Atosil an und hoffte auf das Beste.
Das Beste blieb mir jedoch versagt und 2h später sagte die missmutige Schwester am Telefon: „DEIN ATOSIL FUNKTIONIERT NICHT! Gerade hat er sein Nachttischschränkchen umgeworfen!“
„Oh äh blöd.“ Ich schlug vor es mit weiteren 25 mg Atosil zu versuchen, immerhin bestände da ja noch Raum zur Tages-naja Nachthöchstdosis.
Die Nachtschwester seufzte tief, glaubte sie doch nicht an meinen Superplan, ich aber schon und zur Sicherheit ging ich eine halbe Stunde später auf die entsprechende Station um mich von der Wirksamkeit dieser klugen Anordnung zu überzeugen.
Die Tür zu Herrn Gizimbös Zimmer war leicht geöffnet, so dass die Schwestern einen guten Blick auf gefährliche Aktivitäten hatten. Vorsichtig und sehr leise lugte ich also in Zimmer.
Die Wand, der Boden, Herr Gizimbös Bett, sowie Herr Gizimbö selbst stellten sich mir in graphischen Farben blutverschmiert da. Mein Patient hatte sich gerade die Kanüle selbst entfernt und suchte nun den Ausgang. Ja. Nichts gewesen war mein Plan.
Ich weiß auch nicht mehr was ich dann getan habe.