Samstag, 26. März 2016

Kindergeschichten - nächster Teil



Es war ziemlich Nachts. Klein-Lottie, 11 Monate alt hatte grässlich Bauchschmerzen. Die entsetzten Eltern waren vor lauter Aufregung aus Versehen nicht in die Kinderklinik sondern zu uns gefahren und nachdem die Aussage der Nachtschwester: „Nö, da sind sie hier falsch, wir behandeln gar keine Kinder.“ für Panik gesorgt hatte, wurde den Eltern feierlich versprochen: „Ok gut, unser kompetenter Arzt vom Dienst wird sich natürlich darum kümmern. Kein Problem. Hier gehen sie gleich in diesen Raum rein. Super.“
„Frau Zorgcooperations?! Kannst du gleich kommen? Wir haben gesagt, du würdest das Kind anschauen.“ Na super. Ich betrat den Raum, wo die Eltern hoffnungsfroh warteten. Klein-Lottie grinste mich auch erfreut an und ich dachte mir ebenso erfreut, dass es zumindest nicht nach akutem -Notfallgau aussah. Die Elterngeschichte handelte von Erbrechen, Bauchschmerzen, mehr Erbrechen. Ich entschloss mich zu einer professionellen pädriatrischen Untersuchung. Klein-Lottie entzückt über diese Arztnähe zog alle datenschutzrechtlich sensiblen Notizzettel mit geheimen Patientendaten aus meiner Kitteltasche und versuchte einen davon zu essen. Nach Rettung von Zetteln mit wichtigen Informationen wie: „Station 10, Zimmer 1 Herr Nussbaum, Kanüle legen!“, drapierten wir das Kind auf die Ultraschallliege, umso mehr Bauchinformationen zu ergattern. Ultraschall war schwer, da einmal der Schallkopf so groß wie der halbe Bauch war und außerdem Klein-Lottie in Ermangelung neuer Notizzettel, die meiste Zeit geschäftig am Kabel des Schallkopfes rüttelte.
„Naja“, sagte ich zu den Eltern, „der Ultraschall sieht ganz gut aus und im Augenblick scheint es Lottie ja sehr gut zu gehen.“ „Oh aber sie schluckt gar nichts mehr!“ sagte der besorgte Vater. „Hm ach so, das ist natürlich noch was anderes. Wir können das ja mal ausprobieren. Haben sie denn etwas zu trinken dabei?“
„Ja natürlich“; die Mutter durchsuchte ihre Tasche. Erleichtert Klein-Lottie nicht mit einem unserer läpprigen Plastikbecher konfrontieren zu müssen, stellte ich dann erstaunt fest, wie die Mutter ein Colagetränk hervorgeholt hatte, pragmatisch einen Strohhalm hineinsteckte und die Konstruktion ihrer Tochter darbot.
Klein-Lottie war gegen das Vorhaben, ich wusste auch nicht so recht, ob das wirklich die richtige Methode sein sollte und bevor mich das Glück mit ihr verließ, riefen wir lieber in der Kinderklinik an und schickten die Familie dort vorbei.


     

Sonntag, 20. März 2016

Kinderviren und professionelle Reflexe



Kennt ihr das? Man präsentiert euch ein knuddeliges Kind, euer Herz geht auf, ihr bastelt sofort ein süßes Kasperle aus eurem linken Socken und einer Packung Tempotaschentücher und schon seid ihr beide beste Freunde für’s Leben?
Äh ja, es gibt einen Grund warum ich kein Kinderarzt wurde. Beginnen wir hier mit dem pädiatrischen Praktikum im Studium:
In Kleinstgruppen betraten wir die Neonatologie. Winzige Kinder lagen hier in kleinen Kästchen herum. Die Neonatologin nahm eins raus. Das war jetzt unseres. Wir transportierten es in einen Untersuchungsraum, den besorgten Vater nahmen wir mit.
Klein-Natalie war erst fünf Tage alt und wir platzierten sie fürsorglich unter einer Wärmelampe, welche den Raum sofort auf 50°C aufheizte. Reihum sollten wir nun vorsichtig Herz und Lunge abhören und einen Neugeborenenreflex demonstrieren. Studentin Müller führte souverän den Greifreflex vor. Student Kleiber zeigte routiniert einen Such-Reflex und wo er schon dabei war den assymetrisch tonischen Nackenreflex. Klein-Natalie gluckste zufrieden. Vater Natalie lehnte sich entspannt zurück.
„Nun Studentin Zorgcooperations“, sagte die betreunde Neonatologin und winkte mich heran, „welchen Reflex haben wir noch nicht?“
Da fiel mir nur noch der Galant-reflex ein: Details zu jenem Reflex: Man streicht über den Rücken des Neugeborenen und schaut was passiert. Kind lag natürlich falsch rum da. Nachdem die Betreuerin meinen ratlosen Blick erkannte, rief sie freundlich: „Ha, da drehen sie jetzt einfach das Kind auf den Bauch in ihre rechte Hand, halten es so in der Luft und haben die linke Hand für die Reflexdurchführung frei.“ Haha. Da gibt es sicher eine ausgeklügelte Technik wie man so ein winziges Kind einhändig dreht, aber die kenne ich immer noch nicht. Da habe ich das Kind dann in Etappen auf meine rechte Hand geschaufelt. Der Vater dachte sich vermutlich inständig: „Bitte, bitte lasst diese Studentin keine Kinderärztin werden!“ und naja, den Reflex habe ich aber erfolgreich durchgeführt! Ein sehr zähes und geduldiges Kind war das.


Kurze Zeit später geschah das pädiatrische Blockpraktikum auf der allgemeinen Kinderstation für durchschnittlich kranke Kinder:
 „So liebe Studenten. Hier also das hochansteckende Kind mit Noro- oder auch Rotavirus, friedlich in seinem Bett rumsitzend. Also wer möchte den kleinen Friedemann jetzt untersuchen? Herr Kleiber vielleicht?“ Das Kind blickt hoffnungsfroh nach oben und winkt dem Studenten Kleiber zu. „Öh ja, sorry hier gibt es keine XXXL-Handschuhe“, sagt Student Kleiber und hebt entschuldigend seine Riesenpranken. „Ach so, wer dann? Wie wäre es mit ihnen Frau Zorgcooperations?“ „Hm hm gut.“
Der kleine Friedemann starrt mit missmutig an, hat er sich doch so auf Student Kleiber gefreut. Ich lächle freundlich. „Hallo Friedemann, also hier ist mein Stethoskop.“ An dieser Stelle bricht Friedemann in einen Instant-Weinkrampf aus.  „Untersuchen sie weiter!“ feuert mich die Praxisanleiterin an. Friedemann hasst mich zu tiefst. Ich beende die Untersuchung im Rekordtempo und nachdem ich mich 3 Meter von Friedemann entfernt habe, hört er auch wieder auf zu weinen. Das einzig Gute an dieser Aktion war, das ich mich nicht mit Noro- oder auch Rotaviren angesteckt habe.

Also, kein Kinderarzt. Aber dann verirrte sich dieses Kind in die Notaufnahme.
 
(Mahaha, Fortsetzung folgt)

Samstag, 12. März 2016

Vanishing Act



Es war so 18.30 Uhr und ich war es: Der glorreiche Dienstarzt für den Abend. Die Hand am Telefon stand ich cool in der Notaufnahme als mich auch schon ein erster wichtiger Anruf erreichte: „Hallo, hier ist die Station 12. Bei uns liegt der Herr Grüller. Kennen sie den?“
„Nein.“
„Oh also, den Herrn Grüller haben wir so gegen 16 Uhr zum Ultraschall geschickt und jetzt ist er weg!“
„Wie weg?“
„Na der ist nie zurückgekommen! Wissen sie wo er ist?“
„Ich KENNE ihn ja nicht mal. Im Ultraschall ist er auf jeden Fall nicht. Da bin ich vorhin vorbeigelaufen. Da ist keiner.“
„Bei uns ist er auch nicht!“
„Könnte er weggelaufen sein?“
„Nein, nein. Der ist schwer krank. Der läuft nirgendwo mehr hin.“
In diesem Augenblick lief der Rettungsdienst an mir mit einer dehydrierten Patientin aus dem Pflegeheim vorbei. Ich kam mit Station 12 überein, dass Herr Grüller sich ja nicht in Luft aufgelöst haben könne und die Station nochmal alles durchsuchen würde.
Ich betreute dann die Patientin aus dem Pflegeheim und noch zwei weitere, weshalb ich Herrn Grüller völlig vergaß.
Gegen 21 Uhr verwickelte mich außerdem der Chirurg in eine verwirrende Diskussion, ob ich den Patienten, dem sie gerade den Appendix herausoperiert hatten, auf meine internistische Station nehmen wolle. „Aber warum? Ihr habt Sachen aus ihm herausgeschnitten, das erscheint mir ganz definitiv… oh… mein Telefon… Moment….“
Station 12 teilte mir nun verzweifelt mit, man habe echt überall gesucht, aber Herr Grüller sei wie vom Erdboden verschluckt.
Hier fiel mein ratloser Blick auf die Akte, die der Chirurg bei sich trug. Ein krumpeliger Kleber mit der Aufschrift „Oswin Grüller“ beschriftete diese. Sollte dies etwa der Gesuchte sein?!
„Yop, so ist es!“ sagte mein Chirurg.
Stellte sich heraus, Herr Grüller, der multimorbide auf unserer internistischen Station rumlag, war zum Ultraschall beordert worden. Ein kluger internistischer Arzt diagnostizierte dort eine Appendizitis, zack war Herr Grüller in einem OP gelandet. Nur Bescheid gegeben hatte man halt niemand.