Samstag, 31. Januar 2015

Meinungsverschiedenheiten (Teil 2)

Da war also diese Patientin, Frau Klumcz, und hatte Magenschmerzen. Wir machten eine Magenspiegelung, nahmen eine Gewebsprobe, deklarierten das Ganze erst Mal als Gastritis und dachten uns eine schlaue Therapie aus.
Die Biopsie war ungewöhnlich schnell von den Pathologen ausgewertet. Alles unauffällig.  Außerdem ging es der Patientin so langsam besser. „Super, kann sie morgen heim“, dachte ich. Am nächsten Tag war jedoch mein gastroenterologischer Oberarzt krank. Als Ersatz kam eine freundliche Kardiologin. „Moooooment!“ sagte die, „die Frau Klumcz, die hat doch diese Aortenklappenverengung! Das müssen wir erst mal kontrollieren. Außerdem ist das doch komisch, was der Pathologe da über die Magenschleimhaut sagt! Das kann gar nicht sein, dass die Gewebsprobe unauffällig ist. Ruf‘ da erst mal an und frag‘ ob die sich sicher sind. Ich schaue solange nach der Herzklappe.“
 
 
Ich telefonierte also mit den Pathologen, die erklärten selbstverständlich wären sie sich sicher! Nach zwei Tagen hatte die Kardiologin festgestellt, dass das mit der Klappe  noch akzeptabel wäre und dann kam auch mein ursprünglicher gastroenterologische Oberarzt wieder. „Super, entlass‘ ich die Patientin morgen“, dachte ich. Aber dann sagte der Gastroenterologe: „Ach, wenn die Frau Klumcz noch da ist, dann können wir ja nochmal eine Kontrollgastroskopie machen.“
Einen Tag später, die Kontrollgastroskopie war erfolgreich und unauffällig gewesen, bekam die Patientin einen Harnwegsinfekt.
Drei Tage und ein paar Antibiotika später, fühlte sich Frau Klumcz schwach aber annehmbar. „Super, entlass‘ ich sie morgen“, dachte ich.
Am nächsten Tag war der gastroenterologische Oberarzt in einer wichtigen Konferenz und der zweite Hauskardiologe kam zum Einsatz.
„Mooooment“, sagte der, „was ist mit der Aortenklappe? Da muss man doch die Medikamente umstellen! So geht das nicht. Die Patientin kann nicht heim. Was denken sie sich denn Frau Zorgcooperations?!“

Samstag, 24. Januar 2015

Nachts im Krankenhaus – warum Patienten nachts nicht schlafen können (Teil5)

Und dann war ich also Patient in diesem Krankenhaus und lag in einem sehr alten Vierbettzimmer.
Es gab eine Waschbeckennische, die über einen geblümten Vorhang vom restlichen Zimmer abgetrennt war und ein Klo am anderen Ende der Station. Also zwei Klos. Für alle Patienten. Und daneben noch ein frei einsehbares Pissoir, das alte Männer ungeniert benutzten, auch wenn das Ganze eine Unisextoilette war.
Zumindest waren nur drei der vier Betten mit uns besetzt, aber das musste kein gutes Vorzeichen sein. War es auch nicht.



Gegen ein Uhr Nachts stürmten die freundlichen Nachtkrankenschwestern herein, gefolgt von zwei Rettungssanitätern, die eine Trage hinter sich herzerrten. Man hatte eine neue Patientin für das freie Bett aufgegabelt.
Eine ältere Dame wurde hereingefahren. Sie schaute sich misstrauisch im Zimmer um und begann zu schreien: „WAS? EIN VIERBETTZIMMER?!? DAS IST JA UNZUMUTBAR!!! ICH BIN PRIVATPATIENTIN!“ „Äh ja“, sagte eine der Nachtschwester, „ist halt gerade kein anderes Zimmer frei.“ „UNANNEHMBAR! PRIVATPATIENTIN!  DAS GEHT NICHT!!“ brüllte die Dame einfach weiter. Die Rettungssanitäter warfen sie schnell von der Trage und gingen unauffällig zurück in ihre gemütliche Rettungswache. Die Schwestern flüchteten dann auch zügig und unsere neue Mitpatientin hörte schließlich auf zu schreien. Vermutlich waren wir, das gemeine Volk kein guter Ansprechpartner. Stattdessen begann sie ihren überdimensional großen Koffer auszupacken und laut Schranktüren auf und zu zu schlagen. Mit Licht natürlich. Musste man ja sehen, wo man alles so hinverstaute. Die Nachtschwester kam nochmal und erklärte der Dame, dass sie ja auch noch morgen auspacken könne. „WIE? ICH BIN DOCH LEISE!“ Jop, fast. Wir machten dann das Licht aus, aber das half nicht viel. Dann riefen wir abwechselnd: „FRAU GOMZOMBOL (Jaja so schnell lernt man die Namen randalierender Mitpatienten.) HÖREN SIE AUF IHREN KOFFER AUSZUPACKEN!“ „NEIN, ICH MUSS MEINE SOCKEN FINDEN!!“
„FRAU GOMZOMBOL MACHEN SIE DAS LICH WIEDER AUS!“
„ICH BIN DOCH LEISE!"
„NEIN!!! SIND SIE NICHT. GEHEN SIE SCHLAFEN!!“
„MEINE SOCKEN!“
„GAAAARGHLL!!“
Naja, am nächsten Tag war dann plötzlich ein Speziellundnurfürprivatpatientenzimmer frei.

Samstag, 17. Januar 2015

Die Vermisstenanzeige

Da war ich also der Arzt vom Dienst oder auch mit dem Dienst und trug das Diensthandy mit mir herum, auf dem ein Haufen Leute anrief, die irgendetwas sagten wie z.B.: „Ähh du Frau Zorgcooperations… wir vermisse einen unserer Patienten.“ „Ah“, dachte ich, „und warum ruft ihr jetzt mich an?“
Hier stellte sich heraus, dass es laut offiziellen Krankenhausanweisungen bei verlorenen Patienten genaue Befehle gab. Sollte das Pflegepersonal den Patient nicht mehr finden können, dann wird der Dienstarzt informiert und nimmt die Sache in die Hand. Ha. Das ist auch nur ein logischer Gedankengang. Schließlich hat der Dienstarzt mehrere Jahre studiert, ist somit einiges schlauer als so eine Krankenschwester und wird daher den Patienten zackzack wiederfinden… Oh ja, den Patienten hatte ich im Übrigen nie zuvor getroffen.


Das Superhandlungsprotokoll in der Hand, stapelte ich erst mal die Unterlagen des Patienten vor mir auf den Tisch und hakte die Unterpunkte ab: „Habt ihr die Stationen durchsucht?“ „Jop“ „Die Toiletten?“ „Hmhm.“ „Den Keller?“ „Jaaaa.“ „Die Umgebungsgrünfläche?“ „Wir haben aus dem Fenster geschaut.“ „Eine Suchdurchsage gemacht?“ „Schon erledigt.“ Der nächste Punkt ‚Dienstarzt informieren‘ war ebenfalls ausgeführt. Sehr informiert kam ich mir da nicht aber trotzdem nicht vor. Als folgende Maßnahme kam nun: „Polizei informieren“.
Das tat natürlich der Dienstarzt. Wer sonst konnte hier präzise Informationen über den Vermissten geben!
Irgendwie hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie mit der Polizei telefoniert und diskutierte erst mal mit den Schwestern ob man denn hier nun 110 wählen solle oder ob es vielleicht eine unauffällige Nummer direkt in die lokale Polizeidienststelle gab. Immerhin war das ja kein akuter Raubüberfall.
Ich rief schließlich die Pforte an und fragte nach ob die mich mit der Polizei verbinden könnten. Die Polizei, wohin auch immer die Pforte mich da nun verbunden hatte, ging auch sofort ran. „Klinikum Beteigeuze an der Zingg, blabla ich möchte hier einen Patienten als vermisst melden.“ „Name?“ „Hmm Hermann Frö..“ „Nein, nein ihrer.“ Der Polizist brachte nun erstmal mehrere Minuten damit zu ganz genau meinen Nachnamen und den Vornamen zu notieren. „Zorgcooperations mit Z oder S? Zwei Os? Können sie das bitte mal buchstabieren? Und den Vornamen auch! Haben sie einen Doktortitel?“ Nachdem ganz genau notiert war WER hier überhaupt anrief, wurden auch die Patientendaten aufgenommen. Wir erfanden einen genauen Vermissungszeitpunkt, da „naja seit einer Stunde“ als Zeitangabe überhaupt nicht präzise genug war. Eine der Schwestern, welche im Übrigen belustigt im Kreis um mich herumstanden, gab schließlich eine genaue Personenbeschreibung ab und zum Glück ging die Polizei dann los und fand uns den Patienten wieder, der inzwischen freundlich nach Hause gelaufen war.

Samstag, 10. Januar 2015

Entspannungsübungen

Und dann hatte ich also meinen ersten Nachtdienst und dachte: „Ahhh, das wird bestimmt schwer. Jetzt kommen die ganzen Notfälle.“ Am Tag zuvor schaute ich abends nochmal nervös meine Bücher durch und betrat schließlich möglichst kompetent aussehend die abendliche Notaufnahme.
Erst mal passierte nichts und ich ging hin irgendwelches Blut auf den Stationen abzunehmen.
Gegen 22.30 Uhr rief man mich an, ich solle mal zurückkommen. Patient mit Brustschmerzen. „Uhhh“, dachte ich mir, „Vielleicht ein Herzinfarkt oder eine Lungenembolie.“
„Kabine 1“, rief die Aufnahmeschwester und da ging ich dann hin.

Da saß also der Patient in Kabine 1 auf der Trage rum, baumelte mit den Beinen und ich stellte mich freundlich vor: „Zorgcooperations hallo“ „Kevin“, sagte der Patient. „Äh ja. Kevin. Was ist denn das Problem?“
„Ja“, sagte Kevin, „wenn ich mich so im Sessel zuhause zurücklehne, dann habe ich so Schmerzen. Hier!“, er wedelte mit seiner Hand in Richtung rechte Brustkorbhälfte, „seit einem halben Jahr habe ich das.“
Ich sagte erst mal nichts und Kevin erzählte mir noch, dass er deswegen auch schon beim Hausarzt gewesen sei, aber der habe gesagt da wäre nichts und ihm geraten mit Pilates anzufangen.

 
Irgendwie brachte mich dies alles aus meinem Anamnesekonzept, weshalb ich erst mal dumm fragte: „Und haben sie angefangen mit Pilates?“
„Trage ich Makeup oder was?!“  
„Hmhm, haben sie denn jetzt aktuell Schmerzen?“
„Nö.“
„Und warum kommen sie JETZT gerade hier ins Krankenhaus?“
„Na, der Hausarzt macht ja nichts.“
„Hmhm“, sagte ich und untersuchte meinen Patienten, der aber echt nichts hatte. Dann schrieb ich zur Sicherheit ein EKG, welches ich bestimmt als Superstandard-EKG an ein Lehrbuch hätte verkaufen können und ein Labor nahmen wir auch ab, aber das war das schönste Labor, das ich jemals gesehen hatte.
Ein Röntgenbild hätte man schon vor einem Monat gemacht, sagte Kevin und da entschuldigte ich mich, schlug vor es noch mal bei einem Orthopäden zu versuchen und schickte ihn wieder heim.
Außerdem hätte ich ihm fast vorgeschlagen doch mal mit Pilates anzufangen…

Samstag, 3. Januar 2015

Ausgeprägte Presbyakusis* oder auch WTF KUCHEN ?!?


Da wollte ich also diesen alten Herrn aufnehmen. Bei ausgeprägter Schwerhörigkeit fand meine Befragung in einer Lautstärke statt, die es vermutlich allen Anwesenden in der Aufnahme ermöglichte, die genaueren Details des Falles zu verfolgen. 
„SEIT WANN HABEN SIE DENN DIESE BAUCHSCHMERZEN!??!“ schrie ich nun zum dritten Mal. (Das erste Mal hatte der Patient mich nicht verstanden und beim zweiten Mal wies er mich darauf hin, er trage Hörgeräte (?!?).) 
Statt zu antworten griff sich der Mann nun in den Mund und begann sein Gebiss auszubauen. Der Grund hierfür war mir ehrlich gesagt völlig unklar. Etwas ratlos wartete ich ab, bis mein Patient das Gebiss in Händen hielt. „Was möchten sie denn nun mit ihrem Gebiss tun?“ fragte ich schließlich. „KUCHEN?!“ rief der Patient verwirrt. „Häh?“ dachte ich, „‘Kuchen‘ hört sich noch nicht mal so an wie ‚tun‘.“ „Was möchten sie mit den Zähnen den machen??“ schrie ich ebenso verwirrt zurück und hoffte irgendwie wieder einen Bogen zum eigentlichen Grund des Kommens schlagen zu können. „ICH TRAGE HÖRGERÄTE!“ brüllte mein Patient nochmals und starrte auf den Gebiss in seinen Händen. 
„Ok, ich hole ihnen mal einen Becher für die Zähne“, schlug ich seufzend vor und ging zur Tür. „BECHER?“ rief mit der Patient nach, „WAS SOLL ICH DENN MIT EINEM BECHER?!!!“

 

*Presbyakusis (=Altersschwerhörigkeit)