Samstag, 29. August 2015

Nächster Tag, nächster Tag.



„Nachdem sie jetzt zwei Mal Blut erbrochen haben, planen wir sie dann morgen für eine Magenspiegelung ein Frau Werner“, ich erklärte ausführlich wie die Untersuchung ablief und kritzelte passend dazu in einem Aufklärungsbogen herum. „Haben sie da noch Fragen? – Nein? - Da müssten sie mir diesen Bogen unterschreiben.“
Frau Werner erklärte nun sie wolle das vorher lieber noch mit ihrer Tochter besprechen, die sei Arzthelferin. „Ok kein Problem, ich lasse ihnen die Unterlagen da. Sie melden sich wenn sie noch Fragen haben.“
Nächster Tag: „Frau Zorgcooperations Frau Werner möchte keine Magenspiegelung!“ „Huä warum?“ „Sie hat noch nicht ihrer Tochter gesprochen!“
Na super. Ich sprach stattdessen mit Frau Werner, dass die Untersuchung in ihrem Fall sehr wichtig wäre, mein Oberarzt schimpfte und sprach ebenfalls mit Frau Werner, und wir verschoben alles auf den nächsten Tag.
Nächster Tag: „Frau Zorgcooperations Frau Werner möchte keine Magenspiegelung!“ „Huä warum jetzt?“ „Sie hat immer noch nicht ihrer Tochter gesprochen!“ „Ok, ich schaue schnell ob ich die Tochter nicht mal anrufen an. Lasst Frau Werner solange noch nicht frühstücken!“
„Zu spät sie hat schon das Brötchen der Bettnachbarin gegessen!“ (Ernsthaft?!)
Nichts war es mit der Magenspiegelung an diesem Tag. 




„Frau Werner“, sagte ich also, „so geht das nicht weiter. Morgen ist Freitag und dann Wochenende. Wir kommen so ja zu nichts. Wir verschieben jetzt alles nochmal. Hier ist meine Telefonnummer. Sagen sie der Tochter, sie soll mich mal anrufen.“
Nächster Tag. Niemand hatte mich angerufen und Frau Werner hatte auch weiterhin nicht mit der Tochter gesprochen. „Geben sie mir doch einfach die Nummer der Tochter. Dann rufe ich mal an“, erklärte ich hoffnungsvoll. „Na die habe ich aber nicht.“ Oh. „Was ist mit ihrem Ehemann?“ „Ja, der hat vielleicht die Nummer.“ „Ok und was ist die Nummer des Mannes?“ „0384…“ Wir riefen also da an, landeten aber bei einem Faxgerät.
„Frau Werner, wir haben jetzt diese Nummer versucht, aber es geht nur ein Fax ran?“
„Jaja, das machen wir immer so. Wenn wir nicht da sind, leiten wir das Telefon ans Fax um!“ (WTF?!)
Wir haben dann alles auf Montag verschoben.

Sonntag, 23. August 2015

So ein Verlegungsbrief



Und da war ich der Dienstarzt vom Dienst und die Universitätsklinik rechts von Beteigeuze rief an.
„Ja, wir wollten nur sagen, wir verlegen Frau Krüger jetzt zurück und außerdem wollten wir noch wissen: Sollen wir ihr jetzt noch Ciprofloxacin geben oder nicht?“
„Huä, WEN verlegt ihr und WOHIN?“  
„Na Frau Krüger. Zurück zu euch. Und was ist jetzt mit dem Ciprofloxacin?“
Als Dienstarzt hatte ich bis jetzt noch nicht einmal etwas von der Existenz Frau Krügers gewusst, noch weniger wusste ich auf welche Station Frau Krüger zurück sollte und oder was in aller Welt mit Frau Krügers Antibiotikum passieren sollte. Den Pflegekräften der Aufnahme war Frau Krüger ebenso unbekannt und laut Computer hatte sich die Dame zuletzt vor zwei Jahren aufgrund eines Bandscheibenvorfalls in unserer Klinik befunden.
„Sag‘ mal Uniklinik, wenn ihr die Patientin wieder zurückverlegt, dann muss es doch auch einen Hinverlegungsbrief geben.“
So ein Hinverlegungsbrief würde mein Gehirn sicher weithin erleuchten, was hier überhaupt los war.
„Nö“; sagte der Unikliniksarzt. Es gäbe keinen Verlegungsbrief. „Das kann gar nicht sein!“ sagte ich, „wir geben immer Verlegungsbriefe mit.“ „Naaahaaain! Wir haben keinen Brief!“, erklärte der Unikliniksarzt entrüstet, „und wie sollen wir das jetzt noch mit dem Antibiotikum, dem Ciprofloxacin machen?“
Das wusste ich auch nicht, da ich weiterhin keine Ahnung hatte wer Frau Krüger war oder was sie in der Uniklinik tat. Der Arzt am anderen Ende der Leitung erklärte schließlich er würde nochmal nach dem ursprünglichen Hin-Verlegungsbrief suchen und meine Pflegekräfte begannen alle Stationen der Klinik reihum anzurufen, ob sie denn eine Frau Krüger erwarten würden.
Dann rief der Uniklinksarzt zurück und erklärte er habe den ursprünglichen Verlegungsbrief gefunden. Es handelte sich hierbei um den Brief der Frau Krügers Aufenthalt aufgrund des Bandscheibenvorfalls vor zwei Jahren bei uns beschrieb und den der Unikliniksarzt irgendwie aus den Akten ausgegraben hatte. Das war zwar ganz sicher nicht der Verlegungsbrief, aber am Ende erklärte die Privatstation, doch, doch sie würden Frau Krüger zurückerwarten, hätten nur vergessen uns das zu sagen und man sollte die Patientin gleich vorbeischicken. Grm. 


Samstag, 15. August 2015

Die ganz normale Aufnahme


„Gnom, du schreibst ja nur über ganz komische Patienten oder inkompetentes Personal!“
Hier also die Geschichte wie ich eine Patientin standardmäßig aufnahm, umgeben von kompetentem Personal.
Ich schaute mir nun erst die Patientenunterlagen an, welche der Hausarzt mitgegeben hatte: gelb, die Patientin sei seit kurzem gelb geworden.
Ich wanderte weiter ins Aufnahmezimmer.
Frau Böhm, eine nette, gepflegte Dame um die 60 Jahre alt, warte seit ungefähr vier Stunden. Ich entschuldigte mich für die lange Wartezeit und Frau Böhm lächelte nett, sie habe schon gesehen, dass heute viel los wäre. Zum Glück hätte ihr Mann ihr erst vor kurzem den neuen Band von T.C. Boyle geschenkt und das hätte sie bist jetzt gut unterhalten.
Wir sprachen nochmals über ihre Beschwerden: gelb, sie sei gelb geworden, müsse immer wieder erbrechen, habe krampfartige Schmerzen im Oberbauch und die Blutwerte beim Hausarztes wären auffällig gewesen wären. Auch unser abgenommenes Blut zeigte verschiedene erhöhte Leberenzyme und zu viel Bilirubin.
Ich erklärte Frau Böhm, diese Konstellation deute darauf hin, dass möglicherweise ein Gallenstein den Abfluss der Galle behindere, und wir hier kurz noch einen Ultraschall machen würden. Frau Böhm nickte verständig, ja das habe der Hausarzt auch vermutet.
Wir wechselten in ein Zimmer mit Ultraschallgerät und während ich das Gerät hochfuhr rannte Frau Böhm kurz zu ihrem Mann im Wartezimmer, um ihm den neuesten Band von T.C.Boyle abzugeben und erfreut zu erzählen, dass sie jetzt endlich dran wäre.
Ultraschall: Die Gallenblase von Frau Böhm war etwas groß, was wie vermutet auf eine Abflussbehinderung hindeutete. Einen Stein konnte ich leider nicht sehen, aber dann war dies auch eines der schlechteren Sonographiegeräte im Hause. Vielleicht hing er ja auch irgendwo im Hauptgallengang fest und entging meinen mittelmäßigen Ultraschallskills. Einer meiner Kollegen schaute auch noch kurz vorbei, bestätigte den Befund und wir erklärten Frau Böhm, dass hier eine stationäre Aufnahme nötig wäre. Wir würden in ihrem Fall eine ERCP planen. Bei dieser Untersuchung kann man mit einem speziellen Endoskop die Gallengänge mit einem Kontrastmittel darstellen und dann Steine, die sich verstopfend festgesetzt haben, mit einem Körbchen herausziehen.
Frau Böhm nickte, ließ sich die Untersuchung nochmals genau erklären und sagte seufzend, da müsse sie wohl oder übel dableiben. Eine kleine Tasche mit ihren Übernachtungssachen habe sie zum Glück ja gleich mitgenommen.
Ich füllte noch ein paar Formulare aus, die Aufnahmeschwestern hatten schon ein freies Bett organisiert, Herr Böhm trug die Tasche, Frau Böhm die Formulare. Fertig war die Aufnahme.



Am nächsten Tag hatte ich kurz Zeit und klickte mich durch das Super-Alles-Verwaltende-PC-System um heraus zu finden, wie die ERCP von Frau Böhm gelaufen war. ERCP – Doppelklick – blabla - Darstellung der Gallengänge – keine Gallenstein – starke Verengung des Hauptgallengangs mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen bösartigen Tumor - …

Samstag, 8. August 2015

"Herz"



Und dann war ich der Dienstarzt und das Dienstarzthandy lag in meiner Hand als auch schon die Arzthelferin eines entfernt arbeitenden Hausarzt anrief und erklärte man wolle bei uns einen Notfall anmelden. Sie würden den Patienten, einen Herrn Ernst Bach, nun schicken. Dann wollte sie auflegen und ich rief schnell: „Moment! Was hat er der Herr Bach!“ „Herz!“ sagte die Helferin kurz angebunden. Das war sehr informativ (und das meinte ich nun ironisch) und ich sagte erst mal nichts  in der Annahme die Arzthelferin würde die Aussage „Herz“ noch genauer spezifizieren. Diese schien aber nichts weiter zu wissen. „Und Herr Bach kommt dann mit dem Notarzt?“ fragte ich nach. „Nein, nein. Der fährt mit seinem eigenen Auto“, sagte die medizinische Fachangestellte fröhlich und legte auf.
Na super, dachte ich, Notfall und eigenes Auto. Das ist hört sich nach einer guten Kombination an.
Herr Bach schaffte es dann aber trotz hässlicher Herzrhythmusstörungen unbeschadet in die Notaufnahme.


Samstag, 1. August 2015

Die Beschummlung



Frau Schultze gehörte zu den Menschen, die eigentlich viel lieber zuhause geblieben wären, aber von einem Konglomerat besorgter Angehöriger ins Krankenhaus transportiert wurden. Frau Schultze war zudem dement und bezichtigte im Folgenenden abwechselnd ihre Angehörigen und mich der allgemeinen Beschummlung. Versuchend möglichst seriös zu wirken, führt ich eine Untersuchung und Befragung durch.
„Wie geht es Ihnen?“ - „MIR GEHT ES GUT! ICH WERDE HIER DIE GANZE ZEIT BESCHUMMELT!!“
Nach ergänzenden Angaben von Sohn, Schwiegertochter und Enkelin, sowie der Analyse der Blutwerte, war schnell klar, dass Frau Schulzes Nieren unter der Last von hohen Außentemperaturen und einer großen Anzahl an wassertreibenden Medikamenten kollabiert waren.
Ich wollte dann noch ein Ultraschall durchführen um besagte Nieren genauer zu betrachten.
„Nein!“ sagte Frau Schulze, auf so eine Ultraschallliege steige sie nicht. Das wäre ganz klar eine Beschummlung.
Ich holte mir meine Schwester zur Unterstützung. „Nö!“ erklärte Frau Schultze und klammerte sich an ihren Transportstuhl, sie würde jetzt wieder heim gehen.
Wir sammelten schließlich den Sohn ein und versuchten nun zu dritt Frau Schultze zu erklären, dass so ein Ultraschall echt nicht schlimm wäre. Ob sie nicht doch kurz und nur ein einziges Mal auf diese Liege steigen würde? Ich müsste da nur noch mal kurz mit dem Gerät auf den Bauch schauen.
„WAS?!“ rief Frau Schultze empört, „Meinen Bauch habe ihnen doch schon gezeigt!!“
Unter viel Protest stieg sie schließlich um und ich schloss glorreich ein postrenales Nierenversagen aus.