Samstag, 25. April 2015

Seltsame Anrufe in der Nacht




Dann war es also Nacht. Oder zumindest später Abend. So 22.30 Uhr. Ich lief zügig durch irgendeinen dunklen Stationsflur um nach einem Bauchschmerzpatienten zu schauen, da stellte die Pforte einen Anruf zu mir durch. „Klinikum Beteigeuze, Frau Zorgcooperations ihr Dienstarzt am Apparat“
„Ja“ rief eine aufgeregte Männerstimme, „meine Verwandte, die hat Krebs!“ Es folgte eine anschließende Stille in der weder ich noch er etwas sagten und nach eine längeren Pause erklärte er schließlich: „Da wollte ich wissen in welche Klinik sie kommt!“
„Huä?“, dachte ich, „ist das ein Notfall? Möchte der unbekannte Mann, welcher sich bis jetzt nicht weiter vorgestellt hatte, vielleicht voranmelden, dass er gleich kommt?“
„Wo ist sie denn nun ihre Verwandte“, fragte ich benommen. „Äh in Kleinbunzendorf.“ Ah hm nie gehört. Der Mann sprach weiter: „Und kommt sie jetzt zu ihnen nach Beteigeuze oder in die Universitätsklinik nebenan?“ 

 
„Ist das denn ein Notfall? Hat sie denn akute Beschwerden, ihre Verwandte?“
„Nein, nein. Aber sie hat Krebs und da wollte ich nur wissen, in welche Klinik, die Leute mit Krebs kommen!“
„Äh ja genau“, dachte ich mir, „nachts um halb elf.“ Dann erklärte ich diffus, das Leute mit einer Krebserkrankung sowohl in Beteigeuze selbst als auch den Unikliniken rechts und links von Beteigeuze behandelt werden könnten und ob er sich nicht vorstellen könne, die Verwandte persönlich zu fragen, welches Klinikum sie sich da vorstelle. Anschließend beendeten wir beide irgendwie unbefriedigt das Telefonat und ich weckte den Bauchschmerzpatienten auf, der inzwischen überhaupt keine Bauchschmerzen mehr hatte und eingeschlafen war, aber das merkte ich erst als ich schon im Zimmer rumstand und alle Zimmerbewohner aufgewacht waren.

Sonntag, 19. April 2015

Halt die Hand ...



Da war ich also der Arzt vom Dienst oder auch mit dem Dienst und dachte „Oh da ruft die Intensivstation an. Hm geh‘ ich kurz ran!“ Das war ein dummer Gedanke, denn ersten war ich gar nicht für die Intensivstation zuständig und zweites war ich soeben dabei eine Kanüle zu legen. Diese hatte ich auch gerade erfolgreich im Handrücken des dementen Patienten versenkt und äh Festkleben, wäre nun eine tolle Idee gewesen, aber ich wollte ja kurz diesen Telefonanruf beantworten. Ich würde einfach sagen: „Ahhh, Intensivstation, da bin ich gar nicht zuständig, rufen sie den Intensivarzt an!“. So saß ich da, hielt mit einer Hand die nun mit einer wackligen Kanüle bestückten Hand des Patienten, welcher nicht verstand, WARUM da eine Kanüle sein sollte, daher konsequent versucht die Hand erst mal weg zu ziehen und an einem ausgeprägten Zittern litt der Mann außerdem. Loslassen hätte den sicheren Tod der Kanüle bedeutet. Mit der anderen Hand umklammerte ich das Telefon. 


Es sagte die Intensivstation: „Blabla, und hier verbinde ich sie mit Dr. Bränig aus der angrenzenden, schönheitschirurgischen Privatklinik!“ Ich wollte dann zwar noch wie geplant rufen: „NEEEINN! Ich bin gar nicht der Intensivarzt und muss diese Kanüle endlich festkleben und huä was wollen die Schönheitschirurgen von uns?“ Aber die Intensivfachkraft hatte schon auf „Verbinden“ gedrückt und Dr. Bränig war am Apparat. „Also mit dem Intensivarzt habe er doch schon gesprochen und der sagte, ICH wäre zuständig.“ „Dann kann gar nicht sein!“ sagte ich, gab aber nach kurzer Diskussion auf, da ich das mit Telefon zwischen Kopf und Schulter klemmen nicht hinbekam und mir mit dem Patienten, dessen Hand ich weiter mit eisernem Griff umklammerte, ein grimmiges Blickduell lieferte. „Aaaaalso“, erklärte Dr. Bränig, „wir haben hier einen Patienten mit Herzinfarkt und den verlegen wir jetzt auf eure Intensivstation!“ „Ah“, dachte ich und dass eine Frage ob wir überhaupt Platz hätten schon nett gewesen wäre. „Braucht der denn eine Herzkatheteruntersuchung, ihr Patient? Hat der infarkttypische EKG-Veränderungen? Oder einen Anstieg der entsprechenden Herzenzyme?“ „Nö“, sagte Dr. Bränig, „keine positiven Herzenzyme. Und nur so unspezifische EKG-Veränderungen.“ „Na dann muss der Patient doch nicht gleich auf eine Intensivstation! Aber gut, jetzt schicken sie ihn mal vorbei.“ Dr. Bränig war hoch erfreut und ich auch; ebenso der Patient, dessen Kanüle ich nun festklebte, um endlich seine Hand loszulassen. Diverse Angestellte der Privatklinik und der Rettungsdienst riefen dann noch mehreremals verschiedene Ärzte in unserer Klinik an um endlich ihren Patienten loszuwerden. Wir waren dann am Ende alle sehr verwirrt, der neue Patient hatte aber tatsächlich einen Herzinfarkt.

Samstag, 11. April 2015

Mehr Sauerstoff!



Da wollten wir Herrn Beissfuß also entlassen. Herr Beissfuß hatte Bluthochdruck und  außerdem dauernd Atemnot oder zumindest behauptete er das. Darum benutzte er auch extensiv unseren Kliniksauerstoffvorrat. Irgendwann hatten wir alle Probleme von Herrn Beissfuß behandelt. Bis auf das Sauerstoffproblem. Um ihn also entlassen zu können, beantragten wir ein Sauerstoffgerät für zuhause. Ich schrieb einen schicken Entlassbrief und da ergab sich ein Problem: Herr Beissfuß war erst vor wenigen Tagen ins Hoheitsgebiet von Beteigeuze gezogen. Das Gerät musste nun gemäß Vorschrift aber im ursprünglichen Herkunftsort von einem Arzt verschrieben werden. Dort trafen wir auf den renitenten Herrn Dr. Glober. Und nachdem Herr Dr. Glober alle unsere netten Krankenschwestern und Sozialdienstdamen zur Sau gemacht hatte, was uns da denn für eine dumme Idee eingefallen wäre, von wegen Sauerstoffgerät und so, sind wir hier etwas die Astronautenbetreuung der NASA oder was, ja da durfte ich als nächstes bei Herrn Dr. Glober anrufen.
„Glober!“; rief Herr Dr. Glober auch sofort in den Apparat.
„Äh, Klinikum Beteigeuze hier Zorgcooperations, es scheint hier ja einige Probleme mit diesem Sauerstoffgerät für Herrn Beissfuß zu geben.“
„JA!“ rief Herr Dr. Glober, „das ist gegen die Leitlinien!“ und führte eine längere angeregte Diskussion mit mir, an deren Ende ich mit meinem Oberarzt drohte und Herr Glober sagte, er warte dann auf den Rückruf.




Also traf ich am Nachmittag auf den Oberarzt. „Gnö blöd.“ sagte der. „Naja und was machen wir jetzt?“ fragte ich. „Pö, da habe ich keine Lust den Herrn Dr. Glober anzurufen!“ sagte der Oberarzt. „Naja ich auch nicht“; meinte ich und wiederholte meine erste Frage, „und was machen wir jetzt?“ „Joa, weiß auch nicht“ der Oberarzt dachte vermutlich schon an seine glorreich Zweitkarriere bei der NASA und dass er es sich hier mir Dr. Glober nicht verscherzen wollte. „Überlegen sie sich doch was Frau Zorgcooperations. Ich sage doch den ganzen Tag irgendwelche Sachen. Freuen sie sich doch das sie jetzt auch mal was entscheiden dürfen!“ „Haha“, dachte ich und hielt den Visitenwagen fest. Nachdem ich noch eine Weile herumgenörgelt hatte, beschlossen wir nun Herrn Beissfuß eben experimentell ohne Sauerstoffgerät heimzuschicken. Denn laut Leitlinien brauchte er schließlich kein Gerät und Herr Dr. Glober, der es als einziger verschreiben konnte, wollte das ja nicht.

Ich setzte mich also wieder ins Arztzimmer, dachte darüber nach wie ich mich hier vermutlich mal wieder bei meinem Oberarzt unbeliebt gemacht hatte und ob es jetzt wirklich nötig wäre Herrn Dr. Glober nochmals anzurufen um ihm den aktuellen Stand der Dinge nahezubringen. Hm nein, entschied ich mich hier und begann den wichtigen Arztbrief für Herrn Beissfuß umzubauen.

Da klingelte das Telefon und haha Dr. Glober war dran, was denn nun los wäre. Wie der Patient ging jetzt ohne Sauerstoffgerät heim?! Hm da müsse er unbedingt mit meinem Oberarzt sprechen. Tatsächlich war Dr. Glober dann sogar richtig nett zu mir, weshalb ich die Oberarztnummer rausrückte und irgendwie hat Herr Beissfuß das Sauerstoffgerät dann doch bekommen.

Samstag, 4. April 2015

Wie man in einer Nacht die halbe Notaufnahme sperrt.



Naja und dann war es nachts und diese besorgte Ehefrau brachte ihren Mann in die Aufnahme. Erbrochen habe er sich und erkältet wäre er auch. Prinzipiell hörte sich das alles jetzt nicht so schlimm an. Der Ehemann war aber sehr leidend, während er sich über meine Untersuchungsliege drapierte und mich anhustete. Ich schickte ihn zum Röntgen und vollbrachte einen Ultraschall, was aber beides sehr unauffällig war. Dann fiel mir ein, dass jetzt ja die Grippe grassierte und besorgte mir einen Influenzaschnelltest. Meine Aufnahmeschwester erklärte sie hoffe für mich, dieser Test würde negativ ausfallen, nachdem ich den Patienten ja vorher einmal durch Aufnahmekabine, Röntgen, eine weitere Aufnahmekabine (in die der Patient aus Versehen wanderte) und Sonographieraum gezerrt hatte! Die müssten wir sonst wegen der Infektionsgefahr alle sperren bis am Morgen eine Putzfrau zur Grundreinigung käme!


Hier teilte uns das Labor nach einer halben Stunde mit, hätten wir haha einen exklusiven Fall von Influenza A. Da wir keine Zimmer auf Station mehr hatten und ich unmöglich einen Influenzapatienten im Flur zwischenparken konnte, wo er das passierende Patienten- und Personalvolk anhustetet, beschloss ich, dass es dem Ehemann nicht sooo schlecht ging und schickte ihn wieder heim. Influenza kann man auch zuhause haben. Wir warfen also Ehemann und –frau wieder raus. Die Frau dabei aus einer weiteren Untersuchungskabine in der sie sich entsetzt ob der Influenzanachricht niedergelassen hatte. Sie hätte nämlich auch Husten und sich BESTIMMT angesteckt.
Meine Aufnahmeschwester sperrte mit grimmigem Gesichtsausdruck alle betroffenen Aufnahmekabinen und den Sonoraum für die Ent-Influenza-Desinfektion am nächsten Morgen. Außerdem zog sie sich einen FFP3-hilft-auch-gegen-Ebola-Mundschutz an, welchen sie für die restliche Nacht nicht mehr ablegen würde. Dies war eine schlaue Entscheidung, denn der nächste hustend fiebernde Patient erschien nur Sekunden später. Diesmal veranstaltet ich den Schnelltest sofort bei Eintreffen und haha natürlich hatte auch dieser Patient Influenza. Leider ging es ihm so schlecht, dass nach Hause schicken keine Option war und ich verbrachte die nächsten zwei Stunden damit verzweifelt ein Zimmer im überbesetzten Krankenhaus zu suchen.
„Sie wissen schon, dass sie hier auf der Chirurgie anrufen!!“
„Jaaaa.“ „Also, hm… ich glaube auf der Nachbarstation ist gerade einer verstorben… aber ob sie das Zimmer haben können weiß ich nicht. Wir sind hier die Chirurgie! Da können sie doch nicht einfach ihre infektiösen Patienten hintun!“
Irgendwann fand ich dann aber doch ein verstecktes Zimmer. Die Aufnahmeschwester verklebte ein weiteres „GESPERRT“ Schild in der Aufnahme und so habe ich in einer Nacht die halbe Notaufnahme gesperrt.