Dienstag, 6. August 2013

Die Mafia



Gerade stehe ich im OP herum und tue nichts, als mir eine aufgeregt Anästhesieschwester zuflüstert: „Der nächste Patient, das ist vermutlich ein Krimineller! Der hat Verbindungen zur japanischen Mafia.“ „Aha“, denke ich mir und lese misstrauisch den OP-Plan auf dem ein asiatisch aussehender Name aufgeführt ist. Weitere Anwesende wissen mehr Details wie z.B.: der Mann habe immer einen Bodyguard und einen Privatbutler bei sich und seinen Aufenthalt bezahle er in bar. „Das hört sich ja alles sehr realistisch an“, denke ich mir weiter, beschließe aber bei der entsprechenden Narkoseeinleitung zufälligerweise woanders zu sein. Diesen Vorsatz ersetzt mein eifriges Gehirn kurz darauf mit der wichtigen Information, dass Tossy II eine Ruptur des Ligamentum acromioclaviculare und eine Überdehnung des Ligamentum coracoclaviculare meint.
Hierauf laufe ich kurz später unbedarft in den Narkoseeinleitungsraum, wo schon ein Mann mit großflächigen Drachentattos liegt.
„Hallo PJler! Wie schön, dass du da bist. Du hilfst doch kurz bei der Narkoseeinleitung?!“ ruft der Anästhesist fröhlich. Er steht mit der Anästhesieschwester am anderen Ende des Raumes und trägt Dinge in das Protokoll ein. Zum Glück scheint man den Privatbutler und den Bodyguard nicht mit reingelassen zu haben.
„Fang‘ doch schon mal an mit der Präoxygenierung!“ ruft der Anästhesist.
„Ja hallo“, begrüße ich den Patienten, „und hier halte ich ihnen einen kleine Maske vor, aus der Sauerstoff kommt.“
„Er spricht nur Englisch und Japanisch!“ ruft der Anästhesist jetzt vom Fußende des Patienten aus, wo er mit den Narkosemedikamenten bereitsteht. Am Fußende?! Die Schwester verschwindet unauffällig hinter dem Narkosewagen. Zufälligerweise vergesse ich in diesem Augenblick sofort die englischen Wörter für „Sauerstoff“, „Maske“, „tief einatmen“ und ähnliches. Das ist aber egal denn der Anästhesist hat sich nun neben den Patientenarm mit der Kanüle geschlichen und besonders schnell alle seine Schlafmedikamente gegeben. Zoing. Innerhalb Sekunden schläft der Patient. Gesagt hat er bis jetzt nichts. Die Anästhesieschwester kommt wieder hinter dem Narkosewagen hervor.
„Naja“, denke ich mir, „zum Glück habe ich wie alle im OP eine Haube und einen Mundschutz an. So erkennt mich der Patient nie wieder und ich bleibe der japanischen Mafia unbekannt.“
Zugunsten dieses aufregenden Erlebnisses, vergesse ich dann noch schnell die Definition von Tossy II.

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