Sonntag, 26. Mai 2013

Interessante Wahrnehmung



Herr Zinke gibt gerade letzte Detailanweisungen an seinen Geschäftspartner, sagt aber es störe überhaupt ihn nicht, wenn ich gleichzeitig bei ihm (ihm persönlich, nicht dem Geschäftspartner) Blut abnehmen würde.
„Gut“, denke ich, „dann mache ich mal. Lalala, und warne auch noch mal freundlich vor, „Achtung es piekt kurz.“
Piek.
„AHHHHRGHHHHLLAAAAAAAAAA!!“ ruft Herr Zinke und zieht empört den Arm weg. Der Geschäftspartner schaut auch entsetzt und glaubt wohl ich würde gerade ohne Betäubung Herrn Zinkes Arm amputieren.
Tja, eine Vene habe ich so nicht getroffen und erkläre Herrn Zinke, dass wir das leider nochmal wiederholen müssten. Vielleicht könne er kurz den Arm ruhig liegen lassen. Das wäre hilfreich für eine erfolgreiche Blutentnahme. Der Piekser an sich wäre ja nur ein ganz kurzer Schmerz. Herr Zinke ist einverstanden, der Geschäftspartner beschließt aber schon mal vorsichthalber zu gehen.
Zweiter Versuch:
Pick.
„OOOOOOOOUUUAAAAHHHHHHH!!“ ruft Herr Zinke, bewegt aber tapfer den angestochenen Arm nicht. Erfreut nehme ich ein bisschen Blut ab und bedanke mich bei Herrn Zinke für die gute Zusammenarbeit beim zweiten Versuch.
„Ja“, sagt Herr Zinke und strahlt, „Das mit dem Stechen haben sie gut gemacht. Hat überhaupt nicht weh getan.“ 

Mittwoch, 22. Mai 2013

So klappt das nicht

„Jo“, sagt der Arzt, „die Frau Rieth, „die braucht noch eine neue Kanüle.“
„Nein“, sagt Frau Rieth, „ich nehme das Medikament als Tablette ein. Ich brauche keine Infusion und haha deshalb auch keine Kanüle im Arm!“ „Ganz sicher?“ „Ja!“ „Wirklich?“ „JA!“
„AHHHHH!“ ruft der Arzt, „das stimmt überhaupt nicht. Geh‘ hin und leg eine Kanüle.“
Nach einem Überzeugungsgespräch mit dem Arzt persönlich, ist Frau Rieth umgestimmt und wieder allein mit mir und ihren beiden Zimmernachbarinnen, die versuchen möglichst unbeteiligt zu wirken.
„Den linken Arm dürfen sie nicht nehmen, der ist schon ganz verstochen!“ ruft Frau Rieth und präsentiert mir den Arm auf dem ein dezentes Hämatom prangt. Ich lege als einen Stauschlauch um den rechten Arm und suche mir eine Vene am Handrücken aus. „Was da wollen sie stechen? Da hatte ich noch NIE eine Nadel!“ „Naja, das macht ja nichts. Da habe ich schon viele Leute eine Kanüle gelegt.“ Gesagt, getan. Doch leider lässt sie die Plastikkanüle nicht ganz in die Vene schieben und hängt am Ende etwas über die Fingerknöchel hinaus, so dass man sie nicht festkleben kann. „So kann ich die Hand nicht benutzen!“ protestiert Frau Rieth erbost. Da hat sie auch wieder Recht und ich erkläre entschuldigend, dass ich da leider nochmal woanders einen zweiten Versuch starten müsse. „Ich habe ihnen doch gleich gesagt, dass das nicht funktioniert!“ erklärt Frau Rieth befriedigt, „Nehmen sie doch die Vene hier.“ Sie zeigt auf eine in Schlangenlinien verlaufende Vene am Unterarm. „Naja, ich brauche eine Vene, die relativ gerade verläuft, so wie diese hier.“ Ich zeige eine Nachbarvene und frage jetzt gleich zur Sicherheit: „Wäre ihnen diese Vene dann recht?“ „Das weiß ich doch nicht! Das müssen sie wissen!“ ruft Frau Rieth um gleich anzufügen: „aber ich sage ihnen: die Vene ist zu klein!“ Die Vene ist genauso groß wie die von ihr persönlich vorgeschlagene Zickzackvene. Nur gerade. Und groß genug für zwei Kanülen. Hm.
In diesem Augenblick fällt mir auf, dass sich am Frau Rieths Handrücken inzwischen vom ersten Versuch ein riesiger blauer Fleck ausbreitet. Also erst mal eine Minute auf den blauen Fleck drücken um diesen an seiner weiteren Ausbreitung zu hindern. Frau Rieths Laune sinkt weiter. Ich würde jetzt auch gern gehen und jemand anders das mit dem Kanüle legen überlassen. Zum Glück klappt beim zweiten Versuch alles gut, trotz der wiederholt von Frau Rieth angemahnten zu geringen Venengröße. Glücklich klebe ich die Kanüle fest, entschuldige mich für den blauen Fleck und möchte gehen, da tritt Frau Rieth nochmal nach: „Ich sage ihnen die Kanüle, die sie hier gelegt haben, die hält auch nicht lange!!“

Sonntag, 12. Mai 2013

Schwester!


Lalala, fröhlich erreiche ich Zimmer Nummer 440. Dort sitzt Herr Renzinger auch schon auf wartend auf seinem Bett rum. Für seine Magenspiegelung soll er in fünf Minuten im Magenspiegelungsraum (oder wo auch immer) erscheinen. Um dort aber auch tatsächlich gemagenspiegelt zu werden, fehlt ihm noch eine Kanüle. Der Magenspiegler hat nämlich keinen Bock drauf, die selber zu legen. Der Patient soll gefälligst schon mit der Kanüle im Blutgefäß liegend ankommen! Also braucht Herr Renzinger jetzt ganz besonders schnell so eine Kanüle, damit er auch nicht zu spät kommt.
Neeein, macht mich überhaupt nicht nervös unter Zeitdruck so eine Kanüle zu legen. Nein, nein. Ähm.
Tralalala, egal ich fange mal an und verstreue mein Kanülenlegezeugs über Herrn Renzingers Bett. Ich kann einfach nicht ordentlich sein.
„SCHWESTER!!“ brüllt der Bettnachbar, „SCHWESTER!!“ Damit meint er wohl mich, auch wenn ich doch gar keine Schwester sondern ein toller Medizinstudent bin. Irritiert was für ein Notfall mich in meiner wichtigen Tätigkeit unterbricht, starre ich den Bettnachbarn an. „Schwester, mein Bett funktioniert nicht!“
„Oh… ja… ich habe gerade keine Zeit“, erneut beuge ich mich über meine Auswahl an bunten Nadeln und komplexen Klebepads.
„Das Bettoberteil lässt sich nicht hochstellen!! Schwester!“
„Sie müssen an so einem kleinen Metallhebel unter dem Bett ziehen!“ versuche ich nun multitaskend die Bedienung des Krankenhausbettes parallel zum Kanülelegen zu erklären.
„Das geht nicht! SCHWESTER!!“
„Ich schaue mit nachher ihr Bett an. Haben sie ein bisschen Geduld.“
Der Bettnachbar rüttelt wild an seinem Bett herum, während ich mich weiter Herrn Renzingers Kanüle widme.
„SCHWESTER! In der Untertaunusklinik konnte man das Bettoberteil immer hochkippen!“ Vermutlich hat er Erwachsenen-ADHS, der Bettnachbar, denke ich mir und ignoriere alle weiteren Rufe.
Zwei Minuten später ist Herr Renzinger fertig ausgestattet für die Magenspiegelung. Ich mache einen Abstecher zum Bettnachbar, der in der Zwischenzeit unablässig über das Bett und die Klinik geschimpft hat. Und als toller Medizinstudent kann kann ich das Bett auch gleich heldenhaft in die gewünschte Position bringen.

Sonntag, 5. Mai 2013

Bettnummerierung

Damit man einen Patient auf der Station besser findet, haben alle Zimmer Nummern. Die stehen außen an der Tür und deswegen findet man die gewünschten Zimmer immer schnell. Die Betten im Zimmer haben auch Nummern. So kann man schon auf einem Stationsplan sehen: Patient Friedrichsen: Zimmer 8 Bett 1. Dann geht man frohgemut in das Zimmer und weiß gleich: Aha der Patient am Fenster ist Herr Friedrichsen, denn das Bett am Fenster ist immer Bett 1 und da liegt Herr Friedrichsen. Hat man schon im Plan gesehen. Super.
Haha, das wäre natürlich zu einfach. Denn anstatt die Bettnummerierung im ganzen Krankenhaus konsequent gleich durchzuführen: z.B. Bett am Fenster ist immer 1 und das an der Tür Bett 2, hat jede Station ihr eigenes System. Am besten ist das in Vierbettzimmern, mit einem Bett in jeder Ecke. Während die chirurgische Intensivstation alle Betten einfach im Uhrzeigersinn durchnummeriert, entschied man sich auf Normalstation für eine absurde Zickzacknummerierung. Aus Mitleid mit Menschen, die mit einem gestörten Orientierungssinn zu kämpfen haben, hat man dort eine Karte aufgehängt, die detailliert Zimmer und Bettnummern anzeigt. Die Karte hängt seitenverkehrt…
So stolpere ich dann doch öfters verwirrt in ein Zimmer, laufe unauffällig im Kreis und versuche mit einem Auge die Namenschilder an den Betten zu entziffern, während ich diffus nach Herrn Friedrichsen frage. Herr Friedrichsen hat natürlich kein Bettnamensschild nickt aber synchron mit seiner Frau bei der Nennung seines Namens. Yay! 

„Wie? Du hast bei Herrn Friedrichsen Blut abgenommen? Der ist doch gerade im OP“, sagt der Arzt.
„Hm nein, bei dem war ich gerade. Er ist hier auf Station. Hier siehst du: Blut von Herrn Friedrichsen.“
„Das kann nicht sein! Herr Friedrichsen wird gerade operiert!“, der zweifelnde Arzt lässt sich jetzt den Patient persönlich zeigen, welchen ich zuvor als Herr Friedrichsen ausfindig gemacht hatte und stellt fest: „Siehst du mal, das ist überhaupt nicht Herrn Friedrichsen. Das ist Herr Esser! Schnell wirf‘ das Blut weg.“
Ahhhh! Friedrichsen hört sich noch nicht mal so an wie Esser! Warum nicken er UND seine Frau, bei einem offensichtlich falschen Namen? Mist, hätte ich lieber zweimal nachgefragt.