Samstag, 27. April 2013

Der langweiligste Test der Welt


Einer der langweiligsten Tests auf der Welt ist der Schellong-Test. Da er so grässlich langweilig für den Untersucher ist, wird die Durchführung gern an PJ-Studenten weiterdelegiert.
Für eine halbe Stunde versucht man dann herauszufinden ob der Patient, denn möglicherweise unter einer orthostatischen Dysregulation leidet, das heißt, ob der Patientenkörper beim schnellen Aufstehen und länger Rumstehen Puls und Blutdruck entsprechend reguliert.
Also geht man hin, lässt den Patient 10 min lang im Bett liegen und misst im Zwei-Minutenabstand Blutdruck und Puls. Dies ist der gechillte Part, denn wenn man Glück hat, findet man einen Stuhl und kann sich neben das Patientenbett setzen. Anschließend wird es problematischer. Man fordert seinen Patienten auf so schnell wie möglich aufzustehen. Ab einem gewissen Alter stehen Patienten aber nicht unbedingt schnell auf. Typische Äußerungen sind: „Ahhh mein Rücken.“ oder „Uhh, können sie mir mal helfen? Ich komme nicht hoch.“ Hat sich der Patient dann im Zeitlupentempo an den Bettrand gesetzt, tut man gut daran mögliche Schuhe, die unbedingt jetzt angezogen werden, bereit gestellt zu haben, oder diese schon im Bett angezogen zu haben. Sonst verzögert sich das Aufstehen ins Unendliche. Hatte ich schon erwähnt, dass schnelles Aufstehen ein essentieller Punkt des Tests ist?
Nun gut der Patient steht und soll das auch für die nächsten 10 min weiter tun. Man selbst misst währenddessen weiter Blutdruck und Puls und trägt alles in eine lustige Tabelle ein. Hat man Pech fällt der Patient zwischendurch um. Hier bietet es sich an Patienten direkt neben dem Bett stehen zu lassen um sie im Fall der Fälle beim plötzlichen Umfallen in Richtung Bett zu schubsen. Ein elegantes Auffangen kann,  bei entsprechenden Gewichtsunterschieden, ja nicht immer gewährleistet werden. Der stehende und nicht fallende Patient, der im Übrigen auch möglichst nicht reden sollte um keine Testwerte zu verfälschen, langweilt sich derweil ebenfalls zu Tode. Nach 10 min Rumstehen fordert man den Patienten dann auf sich möglichst schnell wieder hinzulegen. Das klappt in der Regel sogar minimal schneller als das Aufstehen. Nur noch weitere 6 min Rumliegen mit Blutdruck und Puls messen und schon ist alles. Man zeichnet eine tolle Kurve in ein Diagramm, der Patient fragt, warum er in seinem Alter das alles mitmachen muss und in ungefähr einem von hundert Fällen kommt sogar ein Ergebnis heraus, welches auf eine, hu, orthostatische Dysregulation hindeutet.

Sonntag, 21. April 2013

Venenschutzhand

„Tut das weh, das Blutabnehmen?“ fragt Frau Altmeyer.
„Äh, naja, lässt sich leider nicht ganz vermeiden“, so richtig weiß ich auch nie was ich da antworten soll. Anscheinend haben aber auch andere Leuteschon bei Frau Altmeyer Blut abgenommen und nach einigen beruhigenden Worten suche ich mir frohgemut eine Vene zum punktieren aus.
Frau Altmeyer hält lieber mal schützend die andere Hand über die anvisierte Vene.
„Hm, können sie die Hand eventuell wegnehmen, damit ich Desinfektionsspray draufsprühen kann? Die Desinfektion ist auch ganz harmlos. Tut nicht weh.“
Das mit dem Desinfektionsspray klappt, aber das mit der Nadel findet Frau Altmeyer trotzdem dumm und bedeckt vorsichtshalber wieder die Vene, während sie weiterhin die Nadel anstarrt.
„Ähm, sie müssen leider die Hand von der Vene nehmen sonst, kann ich da kein Blutabnehmen. Das tut mir Leid. Vielleicht wollen sie lieber in eine andere Richtung schauen und nicht auf die Nadel?“ 
Frau Altmeyer denkt sich vermutlich: „Einen Scheiß werd‘ ich tun.“ Sie beobachtet alles ganz genau und wir schieben ihre Venenschutzhand mehrere Male hin und her, bis sie sich schließlich überwinden kann mich das mit dem Stechen und der Nadel erledigen zu lassen. Die streng bewachte Vene lässt sich erfreulicherweise sofort punktieren und mit mehr Glück als Können schaffe ich es Frau Altmeyers ebenfalls sofortige Armrückzugsbewegung auszugleichen.
„Also, das war schon das Schlimmste. Lassen sie einfach den Arm ruhig liegen und ich befülle kurz die Abnahmeröhrchen. Gleich sind wir fertig“ ,erfreut die ängstliche Frau nicht noch mehr ärgern zu müssen, habe ich das auch schnell erledigt und schnappe mir einen Wattetupfer: „So fertig, Achtung ich entferne noch kurz die Nadel“. – Bazing, zieht Frau Altmeyer in Lichtgeschwindigkeit den Arm zurück. Naja, die Nadel ist auf jeden Fall draußen, leider reicht meine Sublichtgeschwindigkeit nicht aus den Wattetupfer rechtzeitig auf die Einstichstelle zu drücken. Frau Altmeyer verteilt großzügig Blut über ihren Arm, auf dem Bett, ihrer Hose und mir, nimmt dann aber nach einer kurzen Überlegungspause den harmlos aussehenden Wattetupfer an.
Einige viele Wattetupfer mehr sieht alles wieder halbwegs ordentlich aus, ich gebe Frau Altmeyer noch Tipps wie man Blut aus der Kleidung bekommt und verschwinde unauffällig aus dem Zimmer.

Montag, 15. April 2013

Essens-neutrale Uhrzeiten



Was mir inzwischen mehrfach auffällt:
Irgendwie scheine ich prinzipiell immer dann etwas von einem Patienten zu wollen, wenn der gerade angefangen hat zu frühstücken. Oder Mittag zu essen. Nicht einmal eine, wie man meinen sollte essens-neutrale Uhrzeit hilft hier. 10.30 Uhr morgens: „Oh sie frühstücken noch?“ „Ja, ich esse eben langsam!“

Sonntag, 7. April 2013

Gefährliche Patienten



Es ist acht Uhr morgens. „Frau Schrimpe-Kohl braucht eine neue Kanüle“, sagt der Arzt. Frau Schrimpe-Kohl braucht schon seit gestern Mittag eine neue Kanüle. Aber in ihrem Zimmer gefunden hat man sie da nicht. Die Zimmernachbarin scheint schon ganz verwirrt zu sein, was ich denn die ganze Zeit wolle.
Doch nun in der Früh liegt Frau Schrimpe-Kohl gemütlich in ihrem Bett und schläft tief und fest vor sich hin. Frohgemut die Dame endlich anzutreffen, stelle ich gleich mein Tablett mit einer großen Auswahl an Kanülen auf ihr Nachttischchen. Auf meine freundlichen Weckversuche hin, demonstriert Frau Schrimpe-Kohl jedoch weiterhin ihr standhaftes Schlafverhalten. Die Zimmernachbarin ist währenddessen schon länger wach und bereitet sich auf einen weiteren langweiligen Krankenhaustag vor. Vermutlich freut sie sich über die Unterhaltung.
Frau Schrimpe-Kohl wacht nun endlich auf und sagt missmutig, dass ihr der Arzt persönlich mitgeteilt hätte ER würde auch die Kanüle legen. „Ach so. Jetzt hat ihr Arzt gerade mich beauftragt, das mit der Kanüle zu übernehmen. Würde das auch gehen?“ Frau Schrimpe-Kohl lässt mich grimmig ihren Arm betrachten und meint dann, „machen sie halt. Aber wenn es weh tut, dann hau‘ ich ihnen eine runter.“
„Ah, hm, nein das wäre mir nicht so recht. Tschüss und bis später dann.“
Kurze Zeit später gebe ich Frau Schrimpe-Kohl Bescheid, dass der Arzt später vorbeikommt und sich persönlich um ihre Kanüle kümmert.
„Ja“, sagt Frau Schrimpe-Kohl, „von mir aus hätten auch sie das gern machen können.“